Erinnerungen eines Goldfisches

Goldfisch

Worum sich seine Gedanken wohl drehen?

„Ungewohnte Perspektive. Fesselndes Setting. Ein packender Konflikt und ein überraschendes Ende … Carmen Wedeland nimmt den Leser mitten hinein in eine Welt, die ihn schon nach Sekunden ratlos zurücklässt. War das ein Roman, eine Kurzgeschichte, ein Drama oder Lyrik? Und was sollte das alles jetzt?“

Ich serviere heute mal etwas aus der Konserve, pardon: aus dem Glas. Es ist schließlich Frühling, draußen schlägt die Nachtigall, ich habe anderes zu tun, als lange Texte zu produzieren (die obige Rezension hat mich schon Minuten gekostet). Auch ihr habt anderes zu tun – zum Glück braucht ihr nur ein paar Sekunden, um mein rätselhaftes Werk zu lesen. So lang dauern die folgenden Memoiren.

 

Erinnerungen eines Goldfisches

Wer ein paar Sekunden mehr hat, findet hier noch einen Kurzkrimi 🙂

Meine erste Geschichte erscheint!

Vor einer Woche habe ich auf diesem Blog geschrieben, dass sich zurzeit ständig insektenartige Aliens in meine Kurzgeschichten hereinwanzen. Egal, ob das Thema des Literaturwettbewerbs „Parasitengeflüster“ lautet oder „Mütter“ oder „Phantastische Sportler“: Meinen Hauptpersonen wachsen immer Fühler und Mundwerkzeuge und sechs bis acht Beine.

Mütter Anthologie Hg Anja Bagus Edition Roter Drache 2016Ab 18. März könnt ihr nun eine dieser Kurzgeschichten lesen!
Wenn ihr dieses schöne Buch kauft:

Mütter
Eine überraschende Anthologie
Hg. Anja Bagus
Edition Roter Drache
zu bestellen z. B. hier im Verlags-Shop
für schlappe 12,95 €
ISBN 978-3-946425-04-5

Ein Buch mit 31 sehr unterschiedlichen Geschichten, von bekannteren und unbekannteren Autoren. Eine davon ist von meiner Wenigkeit und heißt „Die Stars der Krabbelgruppe“.

Meine erste Phantastik-Veröffentlichung in einem Verlag 🙂

Die Sammlung erscheint pünktlich zur Leipziger Buchmesse, gerade habe ich das PDF zur Freigabe bekommen. Ich habe letztes Jahr bei einer Reihe Ausschreibungen für Anthologien mitgemacht, und das hier ist nicht nur meine erste Zusage, sondern auch die schnellste Bearbeitungszeit, die ich bisher erlebt habe.

Die Entstehungszeit für meine Kurzgeschichte reicht allerdings einige Jahre zurück. Genaugenommen bis in meine Kindheit, in der ich mit angenehmem Schauer den „BLV Naturführer Insekten“ studierte und Anregungen sammelte, die zu der Ideen-Invasion führten, von der ich letzte Woche schrieb.

Was bitte haben Insekten mit dem Thema „Mütter“ zu tun?

Ich finde da viele Berührungspunkte. Selbst habe ich zwar keine Kinder, aber fünf wunderbare Nichten und Neffen, mit denen ich in den letzten Jahren viele Wochen verbringen durfte. Wochen voll kostbarer Momente, die ich nie vergessen werde. Zum Beispiel dieses Gespräch:

Meine süße kleine Nichte erzählt von ihrem Tag im Kindergarten.

Süße kleine Nichte (beiläufig): Ich hab eine Schnecke geesst. Das war ganz schön glibberig.
Tante Carmen (entsetzt): Wie, du hast eine Schnecke gegessen?!
Süße kleine Nichte (laut): DAS SOLL MAN NICHT!!!
(nachdenklich): Dann hab ich Sand geesst. Das war nicht glibberig.

Dieses Bild ist in mir gereift und in anderer Form in den Anfang der Geschichte eingeflossen.

Meine Babysitterdienste haben mich auch dazu gebracht, ausführlich über ein schönes Wort nachzudenken:
Krabbelgruppe.
Krabbelige Kinder und krabbelige … Insekten.

Es juckte mich in den Fingern, und nachdem ich einige Tage mit drei süßen Nichten und Neffen von null bis drei Jahren verbracht hatte, schrieb ich die erste Version einer Kurzgeschichte über eine Krabbelgruppe, in der Menschenkinder und Mini-Insekten friedlich zusammen erzogen werden.

Mini-Insekten, weil sie jung sind, natürlich. Und höchstens einen Meter groß, im Gegensatz zu ihren 1,80 großen Müttern.

Das war 2010. Die Geschichte ruhte dann einige Jahre, bis ich im Herbst 2015 von der Ausschreibung erfuhr. Leider passte mein Entwurf nicht ganz zum Thema, ich musste also umarbeiten. Dies tat ich auch pünktlich zwei Tage vor Ablauf der Verlängerungsfrist, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, wie sie für mein kreatives, chaotisches, insektengeplagtes Alter Ego leider typisch sind.

Menschenkinder und Mini-Insekten, die friedlich zusammen erzogen werden.
Spoiler Alert: Es läuft nicht so friedlich, wie es den Anschein hat.

Aber lest selbst – ab 18. März in der Anthologie „Mütter“ 🙂

 

Update, 10.08.16:
Gerade habe ich die Bestätigung bekommen: Meine Geschichte ist „abgefahren“. Mehr dazu in dieser Rezension von Scratchcat vom UnArtMagazin.

Ideen-Invasion

In den letzten Wochen habe ich zwei seltsame Storys geschrieben. Beide mit insektenartigen Aliens im Mittelpunkt. Die volle Montur mit Mundwerkzeugen, Fassettenaugen, Fangarmen und zu vielen Beinen. Beide Geschichten waren für Ausschreibungen. Die eine hatte das Thema „Mütter“, die andere „Phantastische Sportler“.

Insektenartige Aliens, bei den Vorgaben? Ich weiß auch nicht, wo diese Ideen herkommen.

Ich habe noch mehr solche Kurzgeschichten in der Pipeline. Ein Dutzend wimmelt nur so von Schaben, Spinnen und Schmetterlingen. Eine Handvoll beherbergt gruselige Gewächse. Und dann gibt es noch abseitige spirituelle Themen, Klamauk und Spielereien.

Woher kommen die Ideen?

Bei manchen habe ich wirklich keine Ahnung. Ich schwör’s, das Zeug stammt nicht von mir. Es ist, als würde mein Klon die Regie übernehmen und nachts ohne mein Zutun in die Tasten hauen. Kein Wunder, dass tatsächlich die meisten meiner Texte rund um Mitternacht entstehen, wenn mein echtes Ich schon den Schlaf der Gerechten schläft. Carmen Wedeland ist schließlich ein Pseudonym, das sich eine vernunftgesteuerte Person zugelegt hat, die in Wirklichkeit Spinnenweben von den Wänden saugt und den Innenhof von Unkraut befreit.

Eine nicht zu leugnende Inspirationsquelle ist der „BLV Naturführer Insekten“ von 1978, den ich als Kind geschenkt bekam und ausführlich studierte. Am liebsten waren mir die Schmetterlingsfotos, aber irgendwann stößt man zwangsläufig auf den Eintrag zur Fortpflanzung der Grabwespen. Das hat meinen Glauben an einen gütigen Gott nicht unerheblich erschüttert. (Googelt es selber, wenn ihr schlecht schlafen wollt.)

Wahrscheinlich wurde ich damals infiziert, die Ideen reiften gut 30 Jahre in mir heran, und nun müssen sie alle auf einmal schlüpfen.

Dabei wollte ich ja eigentlich einen Roman schreiben, der auf einer Kreidefelsen-Insel spielt. Meeresmythen, Glaskunst … Grotten. Ihr ahnt es vielleicht: Die Insel ist schon längst überrannt – in diesem Fall von Krebsen, einer handlichen Variante der Gliederfüßer, verwandt mit den Spinnen. Skurril, schön und schauderhaft.

Ähnlich wie meine Hauptfiguren entwickeln auch meine Handlungsstränge regelmäßig ein Eigenleben. Und nachdem mir 30 Jahre lang ums Verrecken keine Idee kam, worüber ich mal eine schöne Fantasy-Geschichte schreiben könnte, sprudeln die Ideen jetzt in den unpassendsten Momenten. Ich habe es mir schon zur Angewohnheit gemacht, immer ein großes Notizbuch dabeizuhaben, um alles sofort aufzuschreiben.

Nicht dass ich all die Geistesblitze jemals verwerten könnte, aber wenigstens plagen sie mich etwas weniger, wenn sie vorläufig auf Papier gebannt sind. Bei Konzertbesuchen oder beim Küchendienst ist das halbwegs praktikabel. Unter der Dusche, wo die allermeisten Ideen zuschlagen, habe ich mein Notizbuch allerdings nicht dabei. Da muss ich die herumwuselnden Spinnen (also, in meinem Kopf!) aushalten, bis ich das Shampoo abgespült und den Schreibtisch erreicht habe.

Zum Glück bin ich mit diesem Problem nicht allein. Im National Novel Writing Month haben geplagte Autoren für die Ideen-Invasion einen schönen Begriff geprägt: das Plot Bunny. Also das „Handlungskarnickel“, das klingt auf Deutsch nur nicht so wendig, wie es in Wirklichkeit ist. Das Plot Bunny ist eine Geschichtenidee, die plötzlich aus einem Loch kriecht, in die du dich verliebst, die du fütterst und in dein Haus lässt – und schon hüpft es auf und ab, geht dir auf die Nerven, vermehrt sich unkontrolliert und übernimmt die Herrschaft über dein Leben. Ausführliche Beschreibungen vieler gefährlicher Unterarten gibt es hier im inoffiziellen NaNoWriMo-Wiki, und im November kann man die Viecher sogar in speziellen Verliesen Spieleparadiesen verwahren lassen, um sich endlich auf ein einziges Romanprojekt zu konzentrieren.

Heute Nacht habe ich vielleicht Ruhe, weil ich die Story mit den sportelnden Spinnentieren soeben abgeschlossen habe.

Aber wer weiß, was Carmen morgen Nacht wieder treibt? Zuletzt faselte sie etwas von abgeschnittenen Fingern und einem Friedhof im Frühling. Klingt nach einer Geschichte aus der Gruselige-Gewächse-Kategorie, aber es würde mich nicht wundern, wenn sich das eine oder andere Insekt einschliche.

In diesem Sinne: Es ist Mitternacht. Wovon träumt ihr so?

Update: Meine erste Kurzgeschichte erscheint am 18. März. Mehr dazu im folgenden Blogeintrag 🙂
Update 2: Dieses Jahr erscheinen mindestens vier meiner Kurzgeschichten. Mehr dazu im Beitrag Sportliche Erfolge.

Gestutzte Geschichte

Da mein Roman nur unkontrolliert wächst, ständig Seitentriebe ausbildet und viel Unkraut hervorbringt, habe ich nebenbei begonnen, Kurzgeschichten zu schreiben. Die reifen schnell und lassen sich gut zurechtstutzen. Je kürzer, desto besser.

Der Bonsai der Literatur ist der Drabble: Eine pointierte Geschichte aus exakt einhundert Wörtern. Da muss man schon mit der Pinzette eintopfen und zupfen. Hier mein erster Versuch:

Tief verletzt

Der Hexenmeister presste sich in die Kerkerecke.
Das Grauen wurde größer.

Die Zähne des Zwergenzombies hatten nur gezwickt.
Beim Biss des Vampirbabys kam Blut.
Als der Werwolfswelpe seinen Zeh zerfleischte, begann er zu weinen.
Und nun das Drachenjunge – auch wenn es kaum größer war als ein Krokodil – beim Anblick des aufgesperrten Mauls drehte sich ihm der Magen um.

Ein leises Lachen mischte sich in das Geschrei.
Genüsslich und doch bitter.
Erst als vom Meister nur Matsch übrig war, zauberte der Lehrling die Monster weg.

Nie wieder würde der Alte ihm vorwerfen, er habe kein „bisschen“ Fantasie.

 

Und – welches Geschehnis würdet ihr gern in hundert Wörter zwängen?

P. S. Von Møn habe ich diese Ideen nicht. Hier ist alles nur friedlich und schön.