Wenn Erzähler plötzlich zaubern: National Novel Writing Month 2017

Diesen November war wieder „National Novel Writing Month“. 30 Tage lang habe ich in die Tasten gehauen, genau wie viele Tausend Autoren in der ganzen Welt. Gut 50.000 Wörter ist mein Roman jetzt lang – rund 180 Buchseiten.

Im 19. Jahr seines Bestehens rechnete das „NaNo“-Team mit 400.000 Teilnehmern: Auszug aus der Pressemitteilung vom September 2017

Die Aktion findet jedes Jahr im November statt, für mich ist es die dritte Teilnahme. Gleich beim ersten Mal erreichte ich das Ziel ebenfalls, mit einer früheren Version des gleichen Romans. Doch ich war die ganze Zeit gestresst und hinterher mit dem Text so unzufrieden, dass ich ihn lange nicht mehr anrührte (hier mein Bericht zum NaNo 2015). Letztes Jahr schrieb ich bewusst langsam an einem Kinderbuch und schaffte daher „nur“ 33.000 Wörter; sie klingen zwar schöner, liegen aber ebenfalls in der Schublade (hier meine Überlegungen zum NaNo 2016).

Dieses Jahr stand der NaNo unter dem Motto „Superpowered Noveling“  – und tatsächlich fühlte ich mich das erste Mal so, als hätte ich die Sache um Längen besser im Griff:

Ich „gewann“ den NaNo schon gestern, also mit einem Tag Vorsprung, trotz einer recht „unproduktiven“ Reisewoche in der Mitte. Heute habe ich auf gut 52.000 Wörter erhöht 🙂

Ich bin diesmal nicht ausgepowert, sondern zuversichtlich, dass ich das Schreiben auch in den Dezember und, wenn nötig, in den Januar hinein fortführen kann, jeden Tag rund 2000 Wörter, bis ich die Geschichte zu Ende gebracht habe. Und dann geht es mit neuer Energie ans Überarbeiten!

Ich bin mit dem Geschriebenen wirklich glücklich. Nicht weil es perfekt wäre, das ist es nicht. Aber: Ich weiß endlich, was ich tue. Meine Figuren machen mit. Die Handlungsstränge laufen organisch ineinander. Und die Roman-Ereignisse spitzen sich zu.

„Superpowered Noveling“ eben! Wer wie ich jahrelang an seinem Buchprojekt herumgekrebst hat und nie wusste, woran es kränkelt, kann diese Erleichterung vielleicht nachvollziehen.

Motivierende Medaillen: Beim National Novel Writing Month gibt es auch zwischendurch viel zu gewinnen.

Woher kamen diese „Creative Superpowers“ so plötzlich? Für mich war es die günstige Kombination aus drei Faktoren:

1. Ich folgte einer Struktur, die funktioniert.

  • Drei Akte: Exposition, Eskalation, Resolution. Darin verteilt  Meilensteine wie Plotpoints und Pinchpoints, gewürzt mit dramatischen Fragen, Krisen und Höhepunkten.
  • Drei Hauptfiguren, aus deren Perspektive ich schreibe, darunter eine Haupt-Hauptfigur, die rund die Hälfte der Szenen bekommt.

Diese Struktur verdanke ich diversen Schreibratgebern, vor allem zwei Werken von Stephan Waldscheidt: Schreibcamp: Die 28-Tage-Fitness für Ihren Roman und Plot & Struktur: Dramaturgie, Szenen, dichteres Erzählen. (Klingt wie Werbung, soll es auch gerne sein; aber ich habe die Bücher selbst gekauft und meine Empfehlung mit niemandem abgesprochen 🙂 ).

Aus dieser Struktur leitete ich meine Szenen ab, und auf die konzentrierte ich mich dann Schritt für Schritt, Tag für Tag, meist vormittags zwei bis drei Stunden lang.
Nach etwa zwei Wochen musste ich etwas mehr Zeit investieren, um den 2. Akt feinzuplotten, hier kam das erste Mal sowas wie Stress und Unsicherheit auf, aber es war ein super Gefühl, als das auch stand. Der 3. Akt ist mir sowieso ziemlich klar – auf dieses Ende zielt das Buch schon immer ab. Darauf freue ich mich besonders, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg!

2. Ich achtete darauf, dass es mir gutging.

So ein Roman ist ein Marathon, kein Sprint. Zu meinem Glück (oder Pech) hatte ich diesen Monat wenig bezahlte Arbeit. So konnte ich das Schreiben als Arbeit ansehen, hatte danach frei und dachte nicht mehr an mein Buch (außer an den unglücklichen Tagen, wo ich noch nachplotten musste). Also hieß es auftanken! Ich kochte mir anständiges Essen, nahm mir Zeit für Spaziergänge und Treffen mit Freunden. In der Mitte des Monats machte ich sogar eine Kurzreise nach Hamburg. Es war schön, aber das Schreiben fehlte mir sofort! So kam es, dass ich immer wieder neu Energie zum Schreiben hatte, die innere Kerze nie abbrannte, aber ich trotzdem laufend wusste, woran ich gerade war. Es floss einfach. Superpowers 🙂

3. Ich glaubte weiter an den Zauber des Erzählens.

Im Lauf dieses Jahres habe ich mir vergegenwärtigt, was ich eigentlich mit diesem Buch aussagen will. Wie die Geschichte von dem Scherbenhaufen, die ich letzten Monat erzählt habe. Wie die ganze Geschichte, warum ich nach Møn kam, um zu schreiben. Und ich dachte an die Vision, die ich bei einem Waldspaziergang Anfang dieses Jahres hatte. Ich war mit der inneren Frage aufgebrochen: Wie soll ich dieses Jahr gestalten, damit es gelingt? Drei Antworten bekam ich: 1. Folge den vorgegebenen Strukturen. 2. Achte darauf, dass es dir gutgeht. 3. Glaube weiter an den Zauber.

Das habe ich getan, und es hat geklappt 🙂

Wie geht es euch mit euren Schreibprojekten oder anderen großen Vorhaben? Was ist euer Erfolgsrezept?

Liebe Grüße von der Insel, Carmen Wedeland

NaNoWriMo: Auf ein Neues!

Der November rückt näher.
Lange Nächte, Nieselwetter, Netflix.

Netflix? Nein. Für mich, und viele, heißt November:
Lange Nächte, Nieselwetter, NaNoWriMo.

NaNoWasBitte?

the-world-needs-your-novel

Der National Novel Writing Month, ein jährliches Event, bei dem Tausende Schreibende rund um den Erdball versuchen, jeder ein Romanprojekt von 0 auf 50.000 Wörtern zu hieven. Auf der Website nanowrimo.org kann man sich anmelden und wird süchtig danach, sich die Fleißsternchen für erreichte Zwischenziele abzuholen in einer starken Gemeinschaft angefeuert, sein Ziel zu erreichen.

Auch ich will wieder nach den Sternen greifen.
Unbekannte Welten warten!

nanowrimo_2016_webbanner_participant

Letztes Jahr habe ich zum ersten Mal teilgenommen und gleich eine Punktlandung hingelegt (mehr dazu im Beitrag „30 Tage für meinen Roman“). Trotzdem schlage ich diesmal einen anderen Kurs ein:

  1. Geschwindigkeit drosseln. Lieber Klasse statt Masse, auch beim ersten Entwurf. Denn meine letztes Jahr hingeworfenen Texte sind so mäßig, dass ich anschließend lange keine Lust hatte, an dem Buch weiterzuarbeiten. Neuer Kurs also: Kein Stress, falls ich für die täglichen 1667 Wörter  dreimal so lange brauche. Die Zeit spare ich hinterher beim Überarbeiten.
  2. Ohne Navi unterwegs sein. Diesmal schreibe ich ohne Handlungsplan. Eigentlich bin ich ja die gründlichste Plotterin des Planeten – sieht man am Drei-Meter-Handlungsplan für meinen Fantasyroman. Genau den überarbeite ich nun zum x-ten Mal, denn der letzte NaNo hat mir gezeigt, dass ich meine Hauptfiguren nochmal umcasten und einige Handlungsstränge straffen muss. Da ich das bis nächste Woche nicht fertig habe, wechsle ich diesmal von den Plottern zu den Pantsern, die ihre Geschichte beim Schreiben spontan entwickeln.
  3. Aus diesem Grund schreibe ich nicht an meinem angefangenen Roman  weiter, obwohl der zurzeit sehr stark in mir arbeitet. Sondern ich setze endlich das Kinderbuch fort, dessen erste Kapitel 2015 spontan entstanden, während ich die Streifzüge unserer Katze im Land der Elfen  beobachtete. Meine Nichten und Neffen haben neulich gefragt, ob ich die Geschichte endlich fertig habe!
  4. Ich will nicht wegen des NaNo noch mehr vor dem Computer sitzen als eh schon. Wenn mich die Arbeit dazu zwingt, heißt das ansonsten: Facebook-Rationierung, kein zielloses Surfen, Zeitung nur noch auf Papier und striktes PC-Runterfahren in allen Pausen. Wenn das und Punkt 1 bedeuten, dass ich am 30.11. keine 50.000 Wörter habe, schreibe ich halt bis Weihnachten weiter. Dann besuche ich nämlich besagte Nichten und Neffen und kann sie gleich als Testpublikum nutzen 😉
  5. Ich will nach dem NaNo nicht wieder in ein schwarzes Loch fallen, wenn all der Druck plötzlich weg ist. Daher: weiter Freundschaften pflegen, Dinge unternehmen und speziell für Anfang Dezember etwas Nettes planen. Und natürlich: weiterschreiben …

Guten Start an alle Mit-NaNonauten!
Vielleicht begegnen wir uns da draußen im virtuellen Schreibraum?

nanowrimo-tear-off-flyer02

Update, 30.11.16: Diesen NaNo habe ich mit 33.000 ausgesucht schönen Wörtern beendet.
Update 2, 30.11.17: Den folgenden NaNo konnte ich mit 52.000 Wörtern spannungsreicher Handlung beenden, hier ein Bericht dazu 🙂

Sportliche Erfolge

Den Nachrichten entnehme ich, dass es bei einem gewissen Großereignis in Südamerika an deutschen Medaillen mangelt.

In aller Bescheidenheit möchte ich daher auf ein paar sportliche Erfolge hinweisen, die ich in letzter Zeit erringen konnte 🙂

Dazu muss ich sagen, dass meine früheren Anerkennungen in diesem Bereich übersichtlich waren. Okay, beim Münchner Stadtlauf vor mehreren Jahren gab es Jubel im Publikum, als ich nach weit über einer Stunde ins Ziel einlief kroch. Man dachte allerdings, ich hätte als eine der ersten Läuferinnen die 20 Kilometer geschafft. Nach ein paar Sekunden des Triumphs gab ich klein bei und holte mir als eine der Letzten die 10-km-Urkunde ab.

Immerhin, eine Urkunde! Bei den Bundesjugendspielen war das noch anders. Mein Handstand ohne Hilfestellung wurde nicht gewürdigt, etwas anderes konnte ich nicht. Keine Urkunde, keine Medaille. Kein Erfolgserlebnis.

Ich bin halt von der langsamen Truppe. Doch jetzt, nach jahrzehntelangem Anlauf, ist mir der Sprung aufs Siegertreppchen gelungen. Wenn auch in einem anderen Metier. Letzte Woche bekam ich das gleich vierfach dokumentiert:

Storyolympiade LogoStoryolympiade: „Labyrinthe“

Jawoll, Olympia – ich habe Bundesjugendspiele und Stadtlauf abgeschüttelt und bin bei den ambitioniertesten unter den Amateuren angekommen! Gerade habe ich den Vertrag unterschrieben: meine Kurzgeschichte „Kurven“ erscheint in der Sieger-Anthologie der Storyolympiade 2015-16, beim Verlag Torsten Low. Das Thema lautete „Labyrinthe“.  Die Storyolympiade ist ein größerer Schreibwettbewerb in der Phantastik-Szene: 219 Autoren nahmen diesmal teil, 24 wurden ausgewählt. Zwei nannten ihre Geschichte „Gedankengänge“, darunter ich … mein neuer Titel „Kurven“ zeigt vielleicht noch besser, in welche Richtung es geht … 🙂

„Phantastische Sportler“

Auch meine Kurzgeschichte „Der Auswechselspieler“ wird in einer Anthologie veröffentlicht. Das Buch erscheint ebenfalls im Verlag Torsten Low, Herausgeber sind Wolfgang Schroeder und Markus Heitkamp mit Unterstützung der Geschichtenweber. Insgesamt 20 Autoren schafften es in die Mannschaft, 80 Geschichten waren eingereicht worden. Das freut die Sportlerin, die früher niemand in seinem Team wollte! Meinen Protagonisten freut es auch, denn er steht gern im Rampenlicht. Auf acht Beinen. Solange nicht ausgewechselt wird …

Zurück zu den WurzelnMarburg-Award: „Zurück zu den Wurzeln“

Vom Rampenlicht wechseln wir jetzt ins Düstere. Meine bisher horrormäßigste Geschichte, „Siebenfinger“, ist in der diesjährigen Sammlung des Marburger Vereins für Phantastik abgedruckt worden. Hier werden alle eingereichten Geschichten veröffentlicht, dieses Jahr 25. Der Band erschien in kleiner Stückzahl zum Marburg-Con im April und um Kosten zu sparen, habe ich mein Exemplar erst letzte Woche bei einem Deutschlandbesuch abgeholt. Meine Geschichte handelt von gruseligen Gewächsen … auf einem Friedhof im Frühling.

Mütter Anthologie Hg Anja Bagus Edition Roter Drache 2016„Mütter“

Schnell wieder zu den schönen Dingen. Diese anheimelnde Kurzgeschichtensammlung erschien im März bei Edition Roter Drache und jetzt habe ich zum ersten Mal in meiner steilen Autorenkarriere eine Rezension bekommen, die mich namentlich erwähnt. „Abgefahren“ findet Scratchcat vom UnArtMagazin meine Story „Die Stars der Krabbelgruppe“. Das rechne ich mir doch gleich als weitere Medaille an. Denn die Geschichte ist wirklich nur in den ersten Zeilen anheimelnd. Danach entbrennt ein Wettkampf, wie ihn sich nur Mütter liefern können, deren Mundwerkzeuge nicht von dieser Welt sind.

So, ich hoffe, euch ist der Sport jetzt auch so egal wie mir und ihr habt Lust bekommen, schräge Geschichten zu lesen oder selber zu schreiben. Viel Spaß und viel Erfolg dabei 🙂

P. S. Mehr zu den Hintergründen der genannten Geschichten findet ihr hier:
Labyrinth des Lebens
Ideen-Invasion
Meine erste Geschichte erscheint!

 

Labyrinth des Lebens

Mögt ihr Labyrinthe?
Ich habe Labyrinthe schon als Kind geliebt.

Dabei habe ich null Orientierungssinn und noch weniger Ortsgedächtnis. Das fiel mir zum ersten Mal auf, als ich in der vierten Klasse einen Aufsatz über meinen Schulweg schreiben sollte und vor meinem inneren Auge nichts als Nebel erschien. Wo fuhr der Bus jeden Morgen lang? Keine Ahnung, ich habe Orts-Legasthenie! Manche finden Orte, an denen sie noch nie waren; ich habe auch nach Jahren der Sesshaftigkeit immer einen Stadtplan/eine Landkarte in der Tasche. Møn macht es mir leicht: Auf einer mittelgroßen Insel kann man nur ein paar Kilometer verkehrt fahren, bis man ins Meer fällt.

Labyrinthe betrachte ich also am allerliebsten aus sicherer Entfernung. Oder eine Zeichnung davon. Labyrinthe aus liegenden Steinen oder kniehohen Pflanzen gehen auch. Ich schummel auch nur ganz manchmal und gehe querbeet.

Manchmal hilft aber alles nichts, denn Labyrinthe können auch mitten im Leben auftauchen. Unvermittelt, vielleicht unüberwindbar. Dann muss es der Nahkampf sein.

So wie letzte Woche, als meine Freundin und Mitstreiterin Demetria Cornfield zu Besuch war. Dank trüben Februarwetters hatten wir keine Schwierigkeiten, uns viele Stunden in das Schreiben von Gruselgeschichten zu versenken. Aber am Sonntagnachmittag war Spazierengehen angesagt.

Unser Plan:
Beim Schloss Liselund die Treppe zum Strand runter, dann nach Süden die Kreidefelsen entlangwandern bis zur Treppe bei Jydelejet, dort rauf und oben an der Steilküste durch den Wald zurück. Kein Problem. Kann sogar ich ohne Karte finden.

Das Ergebnis:
Zwei Stunden durch herabgestürzte Bäume klettern, über tosenden Wellen hängen, sich jeden Meter erkämpfen und schließlich doch an Schlammlawinen scheitern. Tüfteln, ausprobieren, eigene Grenzen überwinden, neue Richtungen einschlagen. Geradeaus über den glitschigen Stamm oder rechts durch das rutschige Geröll? Unter den Zweigen durchkrabbeln oder sich oben hindurchhangeln? Trotz beginnenden Muskelkaters kamen wir keine zweihundert Meter weit. Mit nassen Schuhen und blauen Flecken saßen wir irgendwann wieder im Auto.

Wir fanden, es war der beste Tag seit Langem 🙂

Der Weg ist das Ziel – je verschlungener, desto schöner!

Als ich 2013 nach Møn kam, dachte ich, ich hätte einen klaren Plan. Ein Jahr Auszeit, den besten Roman aller Zeiten schreiben, dann von den Millionen leben. Bei Misserfolg: Zurück in den alten Beruf. 1 oder 0. Sehr straight. Und völliger Quatsch.

Dass der Roman ein Eigenleben entwickelte und sich nicht so geradeaus schreiben ließ, habe ich ja schon mal erzählt. Und selbst wenn ich ihn nach einem Jahr hätte veröffentlichen können, was dann? Bei Erfolg hätten die Leser mehr gewollt – doch in jenem ersten Jahr hatte ich null Ideen, worüber ich sonst schreiben könnte. Und ich hatte auch keine Ideen, wo ich in meinem alten Beruf wieder anknüpfen sollte oder was ich mit meinem Leben noch wollte.

Es kam ja auch anders. Statt eines fertigen Romans habe ich jetzt einen halbfertigen. Dazu aber eine Handvoll fertige Kurzgeschichten, Dutzende Ideen für weitere, Ideen für mehrere weitere Bände zum Roman, Ideen für einen ganz anderen Roman, einen Blog und Kontakte zu verschiedenen anderen Schriftstellerinnen am Anfang ihrer Autorenkarriere.

Material für viele Jahre, und es wächst organisch. In ein paar Wochen erscheint meine erste Kurzgeschichte in einer Anthologie, im Lauf des Jahres vielleicht die nächste: Vor Kurzem habe ich erfahren, dass ich bei der Storyolympiade, einem Literaturwettbewerb für Nachwuchsschriftsteller, eine Runde weitergekommen bin. Das Thema war „Labyrinthe“ 🙂

Da ich auch für Fantasytexte gern recherchiere, machte ich letzten Herbst einen Ausflug auf die Nachbarinsel Seeland. Dort liegt der Kalvehave Labyrintpark, den zwei Chor-Mitsänger von mir vor zehn Jahren auf der grünen Wiese angelegt haben. Im Dienste der Literatur traute ich mich ins große Efeulabyrinth, nicht zum ersten Mal, und fand mal wieder den Weg ins Zentrum nicht. Nach über einer Stunde hatte ich aber immerhin alle Stationen der labyrinthinternen Schnitzeljagd entdeckt, ein kaum erhoffter Triumph. Ich brannte darauf, mir am Eingang meine Urkunde abzuholen … und fand nicht mehr aus dem Labyrinth hinaus. Ich stand vor der äußersten Hecke, es dämmerte, und irgendwann gab ich den letzten Anschein von Würde auf und robbte unter dem Zaun durch. Zum Glück sind es keine Buchsbaumhecken, sondern Bretter, an denen Efeu hochrankt, Lücke bis zum Boden etwa 30 cm …

Die Hauptfigur in der Kurzgeschichte, die kurz darauf für die Storyolympiade entstand, scheitert zur Strafe noch übler, bevor sie ihr Ziel erreicht 😉

Meine Schreiberei ist bunter und vielfältiger geworden, seit ich den geraden Pfad verlassen habe und den Irrungen und Wirrungen meiner Fantasie folge. Und auch mein „echtes Leben“ verzweigt sich auf überraschende Weisen. Da keine Bestseller-Millionen in Sicht sind, bin ich seit einigen Monaten wieder auf Kundensuche als freie Texterin, Redakteurin, Übersetzerin … das war zumindest der Plan.

De facto habe ich noch nicht zielstrebig gesucht, sondern z. B. als Rezeptionistin gejobbt und entdeckt, dass es mir Spaß macht, auch mal den Schreibtisch zu verlassen. Und nun haben mich meine Mitsänger, die Labyrinthbesitzer, gefragt, ob ich im Sommer im Labyrinthpark mitarbeiten will! 80 Prozent deutsche Gäste in der Vorsaison freuen sich über eine mehrsprachige Begrüßung. Vielleicht mögt ihr auch mal durch die Efeuhecken tauchen? Die haben da auch Leute mit Orientierungssinn, die verloren gegangene Besucher wieder rausholen 😉

Darüber hinaus sind in den letzten Wochen zwei neue Kunden mit interessanten Schreibjobs aufgetaucht, auf die ich nicht hingearbeitet habe und über die ich mich sehr freue!

Also – rein ins Labyrinth des Lebens, auch wenn man keinen Plan hat. Geht es nicht viel mehr um die kleinen Entdeckungen auf dem Weg? Die immer neue Vorfreude, wenn man einen unerwarteten Durchgang auftut? Die Bereitschaft, jede Wendung als Bereicherung wahrzunehmen? Auch wenn sie durch eine Senke führt oder zurück zum Ausgangspunkt, diesmal vielleicht mit neuer Perspektive?

Ist euer Lebens-Labyrinth auch so gewunden?

Update: Meine Labyrinth-Geschichte zählt zu den Siegern der Storyolympiade. Mehr dazu in diesem Beitrag 🙂

Meine erste Geschichte erscheint!

Vor einer Woche habe ich auf diesem Blog geschrieben, dass sich zurzeit ständig insektenartige Aliens in meine Kurzgeschichten hereinwanzen. Egal, ob das Thema des Literaturwettbewerbs „Parasitengeflüster“ lautet oder „Mütter“ oder „Phantastische Sportler“: Meinen Hauptpersonen wachsen immer Fühler und Mundwerkzeuge und sechs bis acht Beine.

Mütter Anthologie Hg Anja Bagus Edition Roter Drache 2016Ab 18. März könnt ihr nun eine dieser Kurzgeschichten lesen!
Wenn ihr dieses schöne Buch kauft:

Mütter
Eine überraschende Anthologie
Hg. Anja Bagus
Edition Roter Drache
zu bestellen z. B. hier im Verlags-Shop
für schlappe 12,95 €
ISBN 978-3-946425-04-5

Ein Buch mit 31 sehr unterschiedlichen Geschichten, von bekannteren und unbekannteren Autoren. Eine davon ist von meiner Wenigkeit und heißt „Die Stars der Krabbelgruppe“.

Meine erste Phantastik-Veröffentlichung in einem Verlag 🙂

Die Sammlung erscheint pünktlich zur Leipziger Buchmesse, gerade habe ich das PDF zur Freigabe bekommen. Ich habe letztes Jahr bei einer Reihe Ausschreibungen für Anthologien mitgemacht, und das hier ist nicht nur meine erste Zusage, sondern auch die schnellste Bearbeitungszeit, die ich bisher erlebt habe.

Die Entstehungszeit für meine Kurzgeschichte reicht allerdings einige Jahre zurück. Genaugenommen bis in meine Kindheit, in der ich mit angenehmem Schauer den „BLV Naturführer Insekten“ studierte und Anregungen sammelte, die zu der Ideen-Invasion führten, von der ich letzte Woche schrieb.

Was bitte haben Insekten mit dem Thema „Mütter“ zu tun?

Ich finde da viele Berührungspunkte. Selbst habe ich zwar keine Kinder, aber fünf wunderbare Nichten und Neffen, mit denen ich in den letzten Jahren viele Wochen verbringen durfte. Wochen voll kostbarer Momente, die ich nie vergessen werde. Zum Beispiel dieses Gespräch:

Meine süße kleine Nichte erzählt von ihrem Tag im Kindergarten.

Süße kleine Nichte (beiläufig): Ich hab eine Schnecke geesst. Das war ganz schön glibberig.
Tante Carmen (entsetzt): Wie, du hast eine Schnecke gegessen?!
Süße kleine Nichte (laut): DAS SOLL MAN NICHT!!!
(nachdenklich): Dann hab ich Sand geesst. Das war nicht glibberig.

Dieses Bild ist in mir gereift und in anderer Form in den Anfang der Geschichte eingeflossen.

Meine Babysitterdienste haben mich auch dazu gebracht, ausführlich über ein schönes Wort nachzudenken:
Krabbelgruppe.
Krabbelige Kinder und krabbelige … Insekten.

Es juckte mich in den Fingern, und nachdem ich einige Tage mit drei süßen Nichten und Neffen von null bis drei Jahren verbracht hatte, schrieb ich die erste Version einer Kurzgeschichte über eine Krabbelgruppe, in der Menschenkinder und Mini-Insekten friedlich zusammen erzogen werden.

Mini-Insekten, weil sie jung sind, natürlich. Und höchstens einen Meter groß, im Gegensatz zu ihren 1,80 großen Müttern.

Das war 2010. Die Geschichte ruhte dann einige Jahre, bis ich im Herbst 2015 von der Ausschreibung erfuhr. Leider passte mein Entwurf nicht ganz zum Thema, ich musste also umarbeiten. Dies tat ich auch pünktlich zwei Tage vor Ablauf der Verlängerungsfrist, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, wie sie für mein kreatives, chaotisches, insektengeplagtes Alter Ego leider typisch sind.

Menschenkinder und Mini-Insekten, die friedlich zusammen erzogen werden.
Spoiler Alert: Es läuft nicht so friedlich, wie es den Anschein hat.

Aber lest selbst – ab 18. März in der Anthologie „Mütter“ 🙂

 

Update, 10.08.16:
Gerade habe ich die Bestätigung bekommen: Meine Geschichte ist „abgefahren“. Mehr dazu in dieser Rezension von Scratchcat vom UnArtMagazin.

Ideen-Invasion

In den letzten Wochen habe ich zwei seltsame Storys geschrieben. Beide mit insektenartigen Aliens im Mittelpunkt. Die volle Montur mit Mundwerkzeugen, Fassettenaugen, Fangarmen und zu vielen Beinen. Beide Geschichten waren für Ausschreibungen. Die eine hatte das Thema „Mütter“, die andere „Phantastische Sportler“.

Insektenartige Aliens, bei den Vorgaben? Ich weiß auch nicht, wo diese Ideen herkommen.

Ich habe noch mehr solche Kurzgeschichten in der Pipeline. Ein Dutzend wimmelt nur so von Schaben, Spinnen und Schmetterlingen. Eine Handvoll beherbergt gruselige Gewächse. Und dann gibt es noch abseitige spirituelle Themen, Klamauk und Spielereien.

Woher kommen die Ideen?

Bei manchen habe ich wirklich keine Ahnung. Ich schwör’s, das Zeug stammt nicht von mir. Es ist, als würde mein Klon die Regie übernehmen und nachts ohne mein Zutun in die Tasten hauen. Kein Wunder, dass tatsächlich die meisten meiner Texte rund um Mitternacht entstehen, wenn mein echtes Ich schon den Schlaf der Gerechten schläft. Carmen Wedeland ist schließlich ein Pseudonym, das sich eine vernunftgesteuerte Person zugelegt hat, die in Wirklichkeit Spinnenweben von den Wänden saugt und den Innenhof von Unkraut befreit.

Eine nicht zu leugnende Inspirationsquelle ist der „BLV Naturführer Insekten“ von 1978, den ich als Kind geschenkt bekam und ausführlich studierte. Am liebsten waren mir die Schmetterlingsfotos, aber irgendwann stößt man zwangsläufig auf den Eintrag zur Fortpflanzung der Grabwespen. Das hat meinen Glauben an einen gütigen Gott nicht unerheblich erschüttert. (Googelt es selber, wenn ihr schlecht schlafen wollt.)

Wahrscheinlich wurde ich damals infiziert, die Ideen reiften gut 30 Jahre in mir heran, und nun müssen sie alle auf einmal schlüpfen.

Dabei wollte ich ja eigentlich einen Roman schreiben, der auf einer Kreidefelsen-Insel spielt. Meeresmythen, Glaskunst … Grotten. Ihr ahnt es vielleicht: Die Insel ist schon längst überrannt – in diesem Fall von Krebsen, einer handlichen Variante der Gliederfüßer, verwandt mit den Spinnen. Skurril, schön und schauderhaft.

Ähnlich wie meine Hauptfiguren entwickeln auch meine Handlungsstränge regelmäßig ein Eigenleben. Und nachdem mir 30 Jahre lang ums Verrecken keine Idee kam, worüber ich mal eine schöne Fantasy-Geschichte schreiben könnte, sprudeln die Ideen jetzt in den unpassendsten Momenten. Ich habe es mir schon zur Angewohnheit gemacht, immer ein großes Notizbuch dabeizuhaben, um alles sofort aufzuschreiben.

Nicht dass ich all die Geistesblitze jemals verwerten könnte, aber wenigstens plagen sie mich etwas weniger, wenn sie vorläufig auf Papier gebannt sind. Bei Konzertbesuchen oder beim Küchendienst ist das halbwegs praktikabel. Unter der Dusche, wo die allermeisten Ideen zuschlagen, habe ich mein Notizbuch allerdings nicht dabei. Da muss ich die herumwuselnden Spinnen (also, in meinem Kopf!) aushalten, bis ich das Shampoo abgespült und den Schreibtisch erreicht habe.

Zum Glück bin ich mit diesem Problem nicht allein. Im National Novel Writing Month haben geplagte Autoren für die Ideen-Invasion einen schönen Begriff geprägt: das Plot Bunny. Also das „Handlungskarnickel“, das klingt auf Deutsch nur nicht so wendig, wie es in Wirklichkeit ist. Das Plot Bunny ist eine Geschichtenidee, die plötzlich aus einem Loch kriecht, in die du dich verliebst, die du fütterst und in dein Haus lässt – und schon hüpft es auf und ab, geht dir auf die Nerven, vermehrt sich unkontrolliert und übernimmt die Herrschaft über dein Leben. Ausführliche Beschreibungen vieler gefährlicher Unterarten gibt es hier im inoffiziellen NaNoWriMo-Wiki, und im November kann man die Viecher sogar in speziellen Verliesen Spieleparadiesen verwahren lassen, um sich endlich auf ein einziges Romanprojekt zu konzentrieren.

Heute Nacht habe ich vielleicht Ruhe, weil ich die Story mit den sportelnden Spinnentieren soeben abgeschlossen habe.

Aber wer weiß, was Carmen morgen Nacht wieder treibt? Zuletzt faselte sie etwas von abgeschnittenen Fingern und einem Friedhof im Frühling. Klingt nach einer Geschichte aus der Gruselige-Gewächse-Kategorie, aber es würde mich nicht wundern, wenn sich das eine oder andere Insekt einschliche.

In diesem Sinne: Es ist Mitternacht. Wovon träumt ihr so?

Update: Meine erste Kurzgeschichte erscheint am 18. März. Mehr dazu im folgenden Blogeintrag 🙂
Update 2: Dieses Jahr erscheinen mindestens vier meiner Kurzgeschichten. Mehr dazu im Beitrag Sportliche Erfolge.

30 Tage für meinen Roman

Ich habe gewonnen!

National Novel Writing Month Winner 2015

Ich habe die Herausforderung des National Novel Writing Month angenommen und diesen November 50.000 Roman-Wörter geschrieben. Das entspricht etwa 170 Buch-Normseiten.

Wow, Carmen hat in 30 Tagen einen Roman geschrieben?
Nuuuun … nein.
Ein richtiger Roman hat eher so 100.000 bis 150.000 Wörter, ein Fantasy-Epos gerne auch mehr. Mit 50.000 Wörtern hat man allenfalls ein Kinderbuch oder eine Novelle fertig.

In diesem Wettbewerb geht es darum, 30 Tage an seinem Roman zu schreiben. Nicht unbedingt, ihn abzuschließen – und vor allem nicht so, dass er druckreif wäre. Das ist für Normalsterbliche kaum möglich. Es geht darum, einen Entwurf von mindestens 50.000 Wörtern zu produzieren, und zwar so schnell wie möglich.

Den inneren Kritiker abschalten, nicht mehr grübeln, nicht mehr aufschieben, nicht weitere Details recherchieren und Plot-Alternativen prüfen. Optimiert wird später, wenn der erste Entwurf fertig ist, wenn man weiß, worauf alles hinausläuft, was funktionieren wird und wo noch Lücken gähnen. Jetzt hieß die Aufgabe: Sich einfach auf den Hosenboden setzen und schreiben! Im Durchschnitt 1.667 Wörter am Tag. Dafür brauchte ich am ersten Tag vier Stunden, in der letzten Woche teils nur 40 Minuten.

Was ist daran so schwer?
Im Nachhinein frage ich mich das auch. Ich hatte alle Voraussetzungen, um schnell weiterzukommen – eine detaillierte Fantasy-Welt, spannende Figuren, drei Meter Handlungsplan … Doch noch mehr hatte ich Ausreden: Alles nicht gut genug, keine Zeit wegen Sommerjob, keine Zeit wegen Besuch … irgendetwas fällt einem immer ein und schon ist wieder eine Woche herum und man hat vergessen, worum es in dem Buch eigentlich gehen sollte. Die große Romanverhinderungsstimme flüstert Tag und Nacht:

  • Lieber noch ein bisschen warten, bis ich wirklich die Zeit habe, mich ausgiebig in die Geschichte zu vertiefen.
  • Wenn ich erstmal schreibe, dann soll es auch wirklich gut werden, schließlich habe ich schon so lange daran herumgeplant, der nächste Schritt muss ein druckreifer Text sein.
  • Und sowieso wartet die Welt nicht auf dieses Buch und ich bin allein hier vor diesem Bildschirm und alles ist furchtbar, also lieber schnell auf Facebook oder raus und sich ablenken.

Der National Novel Writing Month hat all das geändert. Wenn man auf der Website einen Account anlegt, bekommt man jede Menge nützliche Tools, die genau diese Probleme angehen:

  • Ein unbarmherziges Balkendiagramm zeigt den täglichen Fortschritt und was passiert, wenn man nur einen oder zwei Tage sein Soll nicht erfüllt.
  • Wenn man aber wieder etwas geschafft hat, gibt es Belohnungen: dafür, dass man überhaupt anfängt; für die ersten 1667 Wörter; dann wieder für 5000, 10.000 …; wenn man zehn Tage am Stück geschrieben hat, wenn man an einem Schreibtreffen teilgenommen hat oder beim Schreiben zuviel Kaffee trinkt 🙂
  • Ermutigende E-Mails, „Pep Talks“ und der Austausch im Forum hämmern einem ein, dass man einfach drauflosschreiben soll, überarbeitet wird später. Am hilfreichsten fand ich die „Word Wars“ – Wettschreiben gegen die Zeit: Man verabredet mit anderen im Forum, dass man beispielsweise von 20 bis 20.30 Uhr schreiben wird, und postet anschließend, wie viele Wörter man geschafft hat. Es gibt nichts zu gewinnen und niemand schimpft, wenn man nicht in die Pötte kommt – aber dieses ganz einfache Mittel hat bei mir bewirkt, dass ich die 30 Minuten konzentriert sitzen blieb, nur auf mein Dokument sah und in die Tasten haute. Und im Schnitt ca. 1000 Wörter produzierte, an denen ich sonst vielleicht zwei Stunden herumgetüftelt hätte. Das Beste daran: In dieser halben Stunde übernahmen oft meine Figuren völlig die Regie. Meine Hauptfigur fand einen unterirdischen Gang, den ich selber noch nicht kannte und super spannend finde. Mein Antagonist hat mir mit der Weinflasche eins übergezogen und mir endgültig klargemacht, dass ich auch aus seiner Perspektive schreiben muss. Und und und. Manches davon muss ich am Ende vielleicht wieder streichen – aber ich glaube, dass ich allein durch das Ausschalten meines grübelnden Gehirns mehr Kreativität freisetzen konnte als sonst.
  • Für diese Wettschreiben ist eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit jemand im Forum zu haben. Auch für jede Frage, jede Sorge und jede Anekdote, die man mit anderen Schreibern teilen möchte. Weltweit haben Hunderttausende Autoren am „NaNo“ teilgenommen, allein im kleinen Dänemark waren es über 2000. In finsteren Momenten, wo man am Sinn des Ganzen zweifelt, ist es schön zu wissen, dass andere ähnlich spinnerte Projekte verfolgen und vielleicht genau das Problem gerade bewältigt haben, vor dem man momentan steht.

Man könnte natürlich schummeln – seinen Fortschritt muss man selber eintragen und niemand prüft am Ende, ob die 50.000 Wörter wirklich dein eigener, selbst geschriebener, lesbarer Roman sind. Aber damit betrügt man ja nur sich selbst!

National Novel Writing Month Winner

Ich finde, ich habe wirklich gewonnen:

  • Nach mehreren Monaten voller kreativer Vermeidungsstrategien fiebere ich jetzt danach, das Ding zu Ende zu schreiben und die letzten Lücken zu füllen.
  • Ich habe erkannt, dass Schreiben schnell gehen kann und dass man dafür nicht unbedingt eine jahrelange Auszeit braucht. (Ganz nebenbei bemerkt, habe ich im November wieder angefangen, als freie Texterin zu arbeiten, und gleich einen größeren Auftrag gestemmt, so dass die meisten Romanworte erst abends ab neun entstanden!)

Nano 2015 Ein Drittel Plot geschafft

Also: Genug Pause gemacht – jetzt heißt es: Weiterschreiben! Denn trotz der 50.000 Wörter – und weiteren 20.000, die ich vor November schon hatte – bin ich grad mal im Mittelteil meines Drei-Meter-Handlungsplans angekommen …

Nano Now What Months

 

Und wenn die Geschichte zu Ende geschrieben ist?
Dann geht die Arbeit erst richtig los: Denn nach dem Schreiben ist vor dem Überarbeiten!

Vielleicht seid ihr 2016 auch dabei? Vor dem nächsten „NaNo“ im November gibt es im April und Juli jeweils ein „Camp NaNo„, wo man sich selbst einfachere Ziele setzen kann, z. B. ein paar Kurzgeschichten mit zusammen 10.000 Wörtern zu schreiben. Macht Spaß, bringt viel und kostet nix! Ich will es auf jeden Fall wieder probieren.

Update, 26.10.16: Der nächste NaNo naht und ich mache wieder mit.

Carmen lernt wieder lachen

Im Januar habe ich am Schreibwettbewerb „Die Kunst der Einfachheit“ teilgenommen. Das Thema war frei wählbar, doch sollte die Geschichte in Leichter Sprache verfasst sein. Klare Sätze, allgemein verständliche Wörter, nicht zu viele Ideen in einem Absatz, so dass die Texte auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten u. Ä. geeignet sind. Mehr über die Hintergründe findet ihr in meinem Blogeintrag vom 31.1., mehr über Leichte Sprache zum Beispiel hier: www.leichtesprache.org.

741 Texte wurden eingereicht. Die schlechte Nachricht: Meine Geschichte ist nicht in die Endauswahl gekommen. Die guten Nachrichten: Ich habe viel dabei gelernt – und ihr könnt meine Geschichte jetzt sofort online lesen.

Sie beruht auf einer wahren Begebenheit, die ich im März schon in „schwerer Sprache“ beschrieben habe: Wie ich nach Møn kam, um zu schreiben.

Ich widme diese Geschichte meinem Vater, der heute 72 Jahre alt geworden wäre.

 

Carmen lernt wieder lachen

Carmen steht oben an der Treppe.
Sie weint.

Die Treppe ist sehr lang.
Sie führt durch einen Wald.
Sie führt nach unten zum Strand.

Carmen will gerne zum Strand.
Alle sagen:
Dieser Strand ist wirklich schön.

Aber der Fuß von Carmen tut weh.
Sie geht an Krücken.

Sie will den Strand trotzdem sehen.
Sie muss die Treppe runter.

Die Treppe ist sehr lang.
Carmen geht und geht.
Ihr Fuß tut weh.
Sie macht eine Pause.

Carmen sieht nach unten.
Viele Menschen gehen auf der Treppe.
Sie haben gesunde Füße.
Sie gehen schnell.
Sie lachen.

Carmen denkt:
Ich schaffe das nicht.
Aber sie nimmt ihre Krücken.
Sie geht weiter.
Die Treppe ist wirklich sehr lang.
Carmen geht und geht.
Sie macht noch eine Pause.
Sie sieht nach unten.
Sie sieht keinen Strand.

Carmen weint.
Ihr Fuß tut weh.
Gehen ist zu schwer für sie.

Leben ist zu schwer für sie.
Der Papa von Carmen ist tot.
Das tut sehr weh.
Noch mehr als der Fuß.

Carmen weint weiter.
Sie will auch tot sein.
Sie macht ganz lange Pause.
Sie sieht nach unten.
Sie will nicht mehr gehen.

Da hört sie etwas Schönes:
Ein Vogel pfeift im Wald.
Carmen sieht nach oben.

Der Wald ist groß.
Die Sonne scheint.
Die Bäume leuchten grün.
Der Boden ist ganz weiß.
Dieser Wald ist wirklich schön.

Der Vogel pfeift wieder.
Der Papa von Carmen konnte auch gut pfeifen.
Der Vogel fliegt weg.
Carmen denkt:
Der Vogel fliegt zum Strand.
Carmen nimmt ihre Krücken.
Sie geht weiter.

Die Treppe ist immer noch lang.
Carmen geht und geht.
Sie macht viele Pausen.
Sie sieht nicht nach unten.

Sie sieht auf den Wald.
Der Wald ist schön.
Der Vogel ist weg.
Aber Carmen hört jetzt die Wellen.

Die Treppe ist zu Ende.
Carmen kommt zum Strand.
Sie setzt sich auf einen großen Stein.
Sie freut sich ein bisschen.
Sie hat es geschafft.
Der Wald war schön.

Aber der Fuß von Carmen tut weh.
Ihr Papa ist tot.
Carmen weint schon wieder.
Sie will auch tot sein.
Sie sieht nach unten.

Viele Menschen kommen.
Alle wollen den schönen Strand sehen.
Carmen sieht ein Kind.
Es spielt mit seinem Papa.
Der Papa sagt zu dem Kind:
Ich habe dich lieb!
Carmen sitzt auf dem großen Stein.
Sie ist kein Kind mehr.
Aber der Papa von Carmen hatte sie lieb.
Er hat ihr viel geholfen.
Er hat mit ihr gesungen.
Er konnte gut pfeifen.
Carmen hat viel gelacht.

Jetzt ist alles anders.
Ihr Papa ist tot.
Carmen hat viel geweint.
Sie kann nicht mehr lachen.

Carmen denkt:
Papa darf nicht tot sein.
Er soll immer da sein.

Alle sollen immer leben.
Alles soll immer gleich bleiben.
Nichts darf anders werden.

Ich verbiete es.
Ich mache nicht mehr mit.

Carmen sitzt auf dem großen Stein.
Sie sieht nach unten.
Sie weint.

Das Kind kommt zu ihr.
Das Kind sagt zu Carmen:
Du musst doch nicht weinen!
Guck mal, da!
Der Strand ist schön!

Carmen sieht nach oben.
Der Strand ist sehr groß.
Schwarze Steine liegen am Boden.

Die Sonne scheint.
Die Steine glänzen.
Das ist schön.

Eine Welle rollt über die Steine.
Die Welle rollt wieder weg.
Die Steine glänzen noch mehr.
Auch das ist schön.

Eine Wolke kommt vor die Sonne.
Die Steine sind jetzt grau.
Carmen findet:
Auch das ist schön.

Der Strand ist immer anders.
Mal schwarz, mal glänzend, mal grau.
Er bleibt nie gleich.
Und das ist das Schönste.

Carmen sieht auch weiße Steine.
Ein paar weiße Steine sind sehr groß.
Sie leuchten in der Sonne.

Carmen fasst die weißen Steine an.
Sie sind nass.
Carmens Hand wird weiß.

Sie merkt:
Die weißen Steine sind aus Kreide.

Die Kreide-Steine sind weich.
Das Kind bricht ein Stück davon ab.
Es malt mit der Kreide.
Es malt ein Gesicht auf den schwarzen Strand.
Dann ist das Kreide-Stück nicht mehr da.
Aber das Gesicht lacht.

Carmen freut sich.
Sie denkt:
Das Kreide-Stück ist nicht mehr da.
Aber etwas Neues ist an den Strand gekommen.
Ein lachendes Gesicht.

Papa ist nicht mehr da.
Wie das Kreide-Stück.
Aber ich bin da.
Und ich lache jetzt auch.
Wie das Gesicht aus Kreide.

Ein kleiner Stein fällt aus der Luft.
Carmen sieht nach oben.
Sie staunt:
Ein großer Felsen steht hinter ihr!

Der Felsen ist hoch wie der Himmel.
Er glänzt in der Sonne.
Er ist weiß wie die Wolken.
Er ist ganz aus Kreide.

Manche Teile vom Felsen sind rund.
Manche Teile vom Felsen sind spitz.
Es gibt Löcher und Zacken.
Der Felsen ist schön wie eine Krone.
Wie eine Krone aus Kreide.
Noch ein kleiner Stein fällt aus der Luft.
Carmen sieht:
Der Stein ist aus Kreide.
Der Stein ist vom Felsen abgebrochen.

Weiße Steine liegen überall am Strand.
Sie sind alle vom Felsen abgebrochen.
Der Felsen hat Löcher und Zacken.
Der Felsen ist schön wie eine Krone.
Weil Steine abbrechen.

Der Felsen bleibt nie gleich.
Viele Stücke brechen ab.
Viele Stücke sind nicht mehr da.
Aber etwas Neues ist gekommen.
Der Felsen sieht jetzt aus wie eine Krone.
Das ist schön.

Carmen denkt:
Dinge dürfen anders werden.
Neue schöne Dinge kommen.

Papa ist tot.
Das ist traurig.
Alles ist jetzt anders.
Aber ich verbiete es nicht mehr.
Ich mache wieder mit.
Neue schöne Dinge kommen.

Carmen sieht nach oben.
Bäume wachsen auf dem Felsen.
Das ist der schöne Wald.
In dem Wald ist die lange Treppe.
Die Treppe ist so hoch wie der Felsen.
Carmen geht nach oben.
Ihr Fuß tut nicht mehr weh.
Sie freut sich auf ihr neues Leben.
Der Vogel pfeift.
Und Carmen lacht.

—————————————————————————————————-

Woher kommt diese Geschichte?

Carmen Wedeland hat diese Geschichte geschrieben.
Carmen Wedeland wohnt auf einer Insel.
Die Insel heißt Møn.

Die Insel hat einen schönen Wald.
Und einen großen Strand.
Und Felsen aus Kreide.
Wie eine Krone.

Carmen geht oft zu den Kreide-Felsen.
Die Treppe ist lang.
Aber Carmen weint nicht mehr.
Sie lacht.

 

 

Leichte Sprache

Ich habe heute etwas Schweres gemacht.
Ich habe eine Geschichte geschrieben.
Sie war in leichter Sprache.
Das ist wirklich schwer.

Warum brauchen wir leichte Sprache?

Leichte Sprache ist eine gute Idee.
Viele Menschen brauchen leichte Sprache.
Sie können nur schwer lesen.
Aber sie lieben Geschichten.
Sie lieben Geschichten für Erwachsene.
Gute Geschichten.

Wie schreibt man leichte Sprache?

Es gibt Regeln für leichte Sprache.
Zum Beispiel:
Nehmen Sie leichte Wörter.
Schreiben Sie kurze Sätze.
Erklären Sie zuerst eine Sache fertig.
Erklären Sie dann die nächste Sache.

Busene Have 189

Ich finde:

Diese Regeln sind für alle Geschichten gut.
Ich habe heute viel gelernt.

 

Was erzählt meine Geschichte?

Meine Geschichte heißt:
Carmen lernt wieder lachen.
Sie erzählt von Carmen.
Sie erzählt von einer Insel.
Sie erzählt von einer Treppe.
Und sie erzählt von Kreide-Felsen.

Können andere Leute die Geschichte lesen?

Ich hoffe:
Viele Menschen können meine Geschichte lesen.
Aber später.

Die Geschichte ist für einen Wettbewerb.
Der Wettbewerb heißt:
Die Kunst der Einfachheit.

Viele Menschen schreiben für den Wettbewerb.
Die Geschichten kommen vielleicht in ein Buch.
Ich erzähle es euch dann.

Wo können wir mehr erfahren?

Der Wettbewerb heißt:
Die Kunst der Einfachheit.
Er ist von der Lebenshilfe Berlin.
Mehr über den Wettbewerb steht hier:
http://www.kubus-ev.de/lea-leseklub/literaturwettbewerb

Die Geschichten sind für die LEA Leseklubs.
Mehr über die LEA Leseklubs steht hier:
http://www.kubus-ev.de/lea-leseklub

Leichte Sprache ist für viele wichtig.
Mehr über leichte Sprache steht hier:
http://www.leichtesprache.org

Die Regeln für leichte Sprache sind sehr gut.
Die Regeln für leichte Sprache stehen hier:
http://www.leichtesprache.org/downloads/Regeln%20fuer%20Leichte%20Sprache.pdf

Wie findet ihr leichte Sprache?

Bitte schreibt mir.
Ich kann auch schwere Sprache lesen.
Aber versucht einmal leichte Sprache.
Es macht Spaß.

—————————————————-

Fünf Monate später:

Ich habe den Wettbewerb verloren.
Aber das heißt:
Ihr könnt jetzt meine Geschichte lesen!
Klickt einfach auf die nächste Zeile:

Carmen lernt wieder lachen