Wenn Erzähler plötzlich zaubern: National Novel Writing Month 2017

Diesen November war wieder „National Novel Writing Month“. 30 Tage lang habe ich in die Tasten gehauen, genau wie viele Tausend Autoren in der ganzen Welt. Gut 50.000 Wörter ist mein Roman jetzt lang – rund 180 Buchseiten.

Im 19. Jahr seines Bestehens rechnete das „NaNo“-Team mit 400.000 Teilnehmern: Auszug aus der Pressemitteilung vom September 2017

Die Aktion findet jedes Jahr im November statt, für mich ist es die dritte Teilnahme. Gleich beim ersten Mal erreichte ich das Ziel ebenfalls, mit einer früheren Version des gleichen Romans. Doch ich war die ganze Zeit gestresst und hinterher mit dem Text so unzufrieden, dass ich ihn lange nicht mehr anrührte (hier mein Bericht zum NaNo 2015). Letztes Jahr schrieb ich bewusst langsam an einem Kinderbuch und schaffte daher „nur“ 33.000 Wörter; sie klingen zwar schöner, liegen aber ebenfalls in der Schublade (hier meine Überlegungen zum NaNo 2016).

Dieses Jahr stand der NaNo unter dem Motto „Superpowered Noveling“  – und tatsächlich fühlte ich mich das erste Mal so, als hätte ich die Sache um Längen besser im Griff:

Ich „gewann“ den NaNo schon gestern, also mit einem Tag Vorsprung, trotz einer recht „unproduktiven“ Reisewoche in der Mitte. Heute habe ich auf gut 52.000 Wörter erhöht 🙂

Ich bin diesmal nicht ausgepowert, sondern zuversichtlich, dass ich das Schreiben auch in den Dezember und, wenn nötig, in den Januar hinein fortführen kann, jeden Tag rund 2000 Wörter, bis ich die Geschichte zu Ende gebracht habe. Und dann geht es mit neuer Energie ans Überarbeiten!

Ich bin mit dem Geschriebenen wirklich glücklich. Nicht weil es perfekt wäre, das ist es nicht. Aber: Ich weiß endlich, was ich tue. Meine Figuren machen mit. Die Handlungsstränge laufen organisch ineinander. Und die Roman-Ereignisse spitzen sich zu.

„Superpowered Noveling“ eben! Wer wie ich jahrelang an seinem Buchprojekt herumgekrebst hat und nie wusste, woran es kränkelt, kann diese Erleichterung vielleicht nachvollziehen.

Motivierende Medaillen: Beim National Novel Writing Month gibt es auch zwischendurch viel zu gewinnen.

Woher kamen diese „Creative Superpowers“ so plötzlich? Für mich war es die günstige Kombination aus drei Faktoren:

1. Ich folgte einer Struktur, die funktioniert.

  • Drei Akte: Exposition, Eskalation, Resolution. Darin verteilt  Meilensteine wie Plotpoints und Pinchpoints, gewürzt mit dramatischen Fragen, Krisen und Höhepunkten.
  • Drei Hauptfiguren, aus deren Perspektive ich schreibe, darunter eine Haupt-Hauptfigur, die rund die Hälfte der Szenen bekommt.

Diese Struktur verdanke ich diversen Schreibratgebern, vor allem zwei Werken von Stephan Waldscheidt: Schreibcamp: Die 28-Tage-Fitness für Ihren Roman und Plot & Struktur: Dramaturgie, Szenen, dichteres Erzählen. (Klingt wie Werbung, soll es auch gerne sein; aber ich habe die Bücher selbst gekauft und meine Empfehlung mit niemandem abgesprochen 🙂 ).

Aus dieser Struktur leitete ich meine Szenen ab, und auf die konzentrierte ich mich dann Schritt für Schritt, Tag für Tag, meist vormittags zwei bis drei Stunden lang.
Nach etwa zwei Wochen musste ich etwas mehr Zeit investieren, um den 2. Akt feinzuplotten, hier kam das erste Mal sowas wie Stress und Unsicherheit auf, aber es war ein super Gefühl, als das auch stand. Der 3. Akt ist mir sowieso ziemlich klar – auf dieses Ende zielt das Buch schon immer ab. Darauf freue ich mich besonders, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg!

2. Ich achtete darauf, dass es mir gutging.

So ein Roman ist ein Marathon, kein Sprint. Zu meinem Glück (oder Pech) hatte ich diesen Monat wenig bezahlte Arbeit. So konnte ich das Schreiben als Arbeit ansehen, hatte danach frei und dachte nicht mehr an mein Buch (außer an den unglücklichen Tagen, wo ich noch nachplotten musste). Also hieß es auftanken! Ich kochte mir anständiges Essen, nahm mir Zeit für Spaziergänge und Treffen mit Freunden. In der Mitte des Monats machte ich sogar eine Kurzreise nach Hamburg. Es war schön, aber das Schreiben fehlte mir sofort! So kam es, dass ich immer wieder neu Energie zum Schreiben hatte, die innere Kerze nie abbrannte, aber ich trotzdem laufend wusste, woran ich gerade war. Es floss einfach. Superpowers 🙂

3. Ich glaubte weiter an den Zauber des Erzählens.

Im Lauf dieses Jahres habe ich mir vergegenwärtigt, was ich eigentlich mit diesem Buch aussagen will. Wie die Geschichte von dem Scherbenhaufen, die ich letzten Monat erzählt habe. Wie die ganze Geschichte, warum ich nach Møn kam, um zu schreiben. Und ich dachte an die Vision, die ich bei einem Waldspaziergang Anfang dieses Jahres hatte. Ich war mit der inneren Frage aufgebrochen: Wie soll ich dieses Jahr gestalten, damit es gelingt? Drei Antworten bekam ich: 1. Folge den vorgegebenen Strukturen. 2. Achte darauf, dass es dir gutgeht. 3. Glaube weiter an den Zauber.

Das habe ich getan, und es hat geklappt 🙂

Wie geht es euch mit euren Schreibprojekten oder anderen großen Vorhaben? Was ist euer Erfolgsrezept?

Liebe Grüße von der Insel, Carmen Wedeland

Aus Scherben etwas Schönes bauen

Ein Mädchen sitzt auf einem Haufen Glasstücke. Die Scherben schneiden in ihre Haut. Sie weiß nicht, warum sie hier ist. Sie weiß nicht, was das für Scherben sind. Sie ist halb taub, denn gerade hat es geknallt. Sie sieht nach oben. Der Himmel tobt. Das Gewölbe, das sie schützte, ist weg. Stümpfe von Säulen ragen in die Nacht.

Wer ist dieses Mädchen? Was ist passiert? Wird sie sich retten können?

Diese Frage hat mich beschäftigt, seit ihr Bild im Frühjahr 2013 in meinem Inneren auftauchte. Ich kannte das Mädchen nicht. Aber ihr Leiden ließ mir keine Ruhe. Ihre Welt war zusammengebrochen. Die Scherben taten mir weh. Ich spürte das Ende einer aufwühlenden Geschichte. Oder war es vielleicht ein Anfang?

Es ließ mir keine Ruhe. Seit meiner Jugend hatte ich Geschichten schreiben wollen. Doch nie war mir etwas eingefallen, das mich lange genug faszinierte. Das Scherbenmädchen faszinierte mich, monatelang. Ich spürte in mich und fand weitere Bilder. Szenen, die ich nicht verstand und die scheinbar nicht zusammenhingen. Doch ich wusste, ich musste mich ihnen stellen. Ich schrieb sie auf, ich ordnete sie und versuchte sie zu verbinden. Eine Insel entstand, Fossilien, Figuren, sie bauten leuchtende Gebilde aus Glas und hüteten dunkle Geheimnisse. Der Schauplatz eines Romans, der Ausgangspunkt einer Handlung.

Im August 2013 suchte ich den Ort, wo diese Handlung stattfinden könnte. Ich kam auf die Insel Møn, angezogen von den Kreidefelsen und ihren Fossilien. Ich fand den perfekten Ort zum Schreiben. Seitdem wohne ich hier.

Die Natur draußen half mir, meinen Schauplatz weiter auszubauen. Drinnen im Haus untersuchte ich Glas. Lampen und Spiegel, Splitter und runde Stücke, die das Meer weichgeschliffen hatte. Ich las viel über Glas. Es kann trüb sein oder klar, es kann Einblicke ermöglichen und Wahrheit verzerren. Es ist hart und doch nicht fest, man kann aus Glasplatten Häuser bauen oder mit Mosaikteilchen Schmuckstücke gestalten. Ich schrieb Gedichte über Glas als Metapher für das menschliche Dasein.

Inzwischen wusste ich: Das Mädchen war ich selbst. Und der Scherbenhaufen war mein Leben.

Im Oktober 2012, heute vor fünf Jahren, starb mein Vater. Er war von einer Leiter gefallen. Das Firmament, unter dem ich gelebt hatte, brach zusammen. Drei Monate später starb meine Mutter, und wohin ich mich in meinem Leben drehte, ich griff in schmerzende Scherben. Nach und nach hob ich sie hoch, betrachtete die Bruchstücke meines Lebens und fragte mich, ob ich je wieder aufstehen und weitermachen konnte.

Doch dann kamen die Bilder: das Scherbenmädchen und weitere Szenen. Sie wollten in Worte gefasst werden. Ich reiste nach Møn, um zu schreiben. Die Kreidefelsen erinnerten mich daran, dass es Größeres gibt als unser kleines Leben. Die Leuchttürme und der Sternenhimmel malten eine Landkarte für meinen Roman. Und dann fand ich eine Künstlerin, die mir erklärte, wie sie mit Glas arbeitet.

Mette Folmer füllt Glasplatten mit Fischgräten, Metallen und Kreidekrümeln oder verbindet fließendes Glas mit Stein und Draht. Ihre Werkstatt auf dem Tranemarkegård liegt im Osten der Insel Møn.

„Glas hat seine eigene Seele“, sagte sie. „Man muss demütig an die Arbeit herangehen, offen bleiben für Veränderungen, nichts erzwingen wollen. Wenn ich mich beeilen will, schneide ich mich oder das Glas zerbricht. Aber wenn ich mich darauf einlasse, entstehen die schönsten Dinge. Ich freue mich jedes Mal darauf, den Ofen zu öffnen. Jede Luftblase ist ein Geschenk. Manchmal denke ich auch, dass etwas komplett danebengegangen ist. Aber dann kommt ein anderer und findet genau dieses Stück am schönsten.“

In ihrer Werkstatt durfte ich selbst ein Bild aus Glasstückchen machen. Auf einer farblosen Platte sollte ich Scherben anordnen, nach dem Brennen konnte ich mein Bild mit nach Hause nehmen. Ich hatte großen Respekt vor den vielen scharfkantigen Stücken. Zuerst sortierte ich nur Farben und Formen, fand keinen richtigen Plan. Dann entdeckte ich eine Engelfigur. Sie setzte ich an die Spitze meines Bildes, auf sie hin richteten sich alle Teile von selber aus. Allmählich entstand eine Landschaft, die Kreidefelsen von Møn mit zwei Krebsen im Wasser. Zum Schluss verschwand der Engel und machte einer Sonne Platz. Er hatte geholfen, meine Welt zu ordnen, nun wurde er nicht mehr gebraucht.

Das Glasbild liegt noch heute in meiner Schreibwerkstatt, direkt unter den Wandtafeln mit meiner Romanskizze. Mehrere Male habe ich den Plot schon umgebaut, Figuren erschaffen und wieder gestrichen, die Teile hin- und hergeschoben. Allzuviele Ideen haben die Sicht auf das Ganze getrübt. Nun will ich mein Schreiben wieder mehr auf den Ursprung ausrichten. Das Mädchen mit den Scherben, ihre Geschichte und die Frage: Wie kann man aus Scherben etwas Schönes bauen?

Ab nächster Woche schreibe ich den Roman neu. Dann ist National Novel Writing Month. Ich habe ein Ziel und ich freue mich darauf.

Ich möchte, dass der Scherbenhaufen nicht ein Ende, sondern ein Anfang ist.

Liebe Grüße von der Insel, Carmen Wedeland

Weine nicht um Glas, das zerbrochen,
– spricht Weltabor, der Weise.
Wer weint, sieht nicht klar.
Wirf die Scherben ins Meer!
Das weiche Wasser wird sie dir schleifen,
und jedes spitze, schneidende Stück
formt es zu rundem, rieselndem Sand.
Schmeichelnd umfließt er deine Hand,
und schmilzt du ihn ein, erhältst du zurück
das Glas, das zerbrochen war.

(Bruchstück aus einer frühen Romanversion)

Jetzt erhältlich: Mein Buch „Handmade Hygge“

Der Herbst ist da! Die perfekte Zeit, um sich drinnen einzukuscheln, mit viel Lesestoff und einem entspannenden Hobby. Wenn euch dieser Gedanke glücklich macht, dann habe ich jetzt das richtige Buch für euch 🙂 Mein erstes Werk aus Dänemark ist gerade erschienen: Handmade Hygge – Strick-, Häkel- und Nähprojekte zum Wohlfühlen. Ihr könnt es direkt beim Verlag bestellen oder über Amazon oder beim Buchhändler eures Vertrauens; auch in Handarbeitsläden ist es zu finden.

Tatsächlich war das Interesse im Handel so groß, dass der Verlag schon die zweite Auflage angestoßen hat, kaum dass die erste gedruckt war! Liegt es daran, dass kreative Beschäftigung Spaß macht? Oder dass viele sich fragen, wie man im Hier und Jetzt glücklich wird? Hygge ist jedenfalls ein Lifestyle-Trend: die dänische Antwort auf den Alltagsstress, ein einfacher Weg zu Gemütlichkeit und Geborgenheit.

Für mich war die Arbeit am Buch sehr hyggelig. Ich habe die Einleitung verfasst, die erklärt, warum Hygge in unserer hektischen Welt so guttut und warum die Dänen zu den glücklichsten Menschen der Welt zählen. Ich beschreibe, wie sich Hygge im Jahreslauf verändert, vom Sommerhaus-Urlaub bis zu Weihnachtsbasteleien. Und viele Däninnen erklären, warum Handarbeiten sie so entspannt.

Ich habe Dutzende von Dänen gefragt, was für sie persönlich Hygge ausmacht. Auf meine erste Rundmail bekam ich die unterschiedlichsten Antworten, darunter die Überlegungen eines Geschäftsführers zu Hygge am Arbeitsplatz und die gesammelten Gedanken einer ganzen Schulklasse!

Die Antworten haben mir gezeigt, dass es trotz aller Unterschiede ein paar grundlegende Dinge gibt, die Hygge-Stimmung fördern. Genaueres steht im Buch, aber ich kann schon verraten, dass kreative Beschäftigung oft dazugehört! Das interessierte mich natürlich besonders, also habe ich Kursteilnehmerinnen meiner Lieblings-Handarbeitsschule hier auf Møn interviewt. An den Zuschneidetischen und Nähmaschinen entstanden angeregte Gespräche über Hygge, vom Frauenleben in den Siebzigern bis zu Schilderungen vom letzten Stricktreff. Auch meine eigenen Erfahrungen in Dänemark fließen in das Buch ein. Darunter Kochabende auf dem Land und in Kopenhagen, Einblicke in die Schlafzimmerdeko kreativer Däninnen und ein Gespräch mit der Malerin Lise Meijer zum Thema, wie man im Badezimmer Hygge schafft.

Lavendelherzchen zum Selberstricken

Heute möchte ich allen danken, die mit ihren Gedanken und Tipps zum Buch beigetragen haben: Tusind tak for hjælpen!

Lieben Dank auch an das Team vom frechverlag, der im März mit der Idee auf mich zukam, allen voran meiner Produktmanagerin Lisa-Marie Weigel für die hyggelige Zusammenarbeit!

Knapp drei Monate existierte das Buch für mich nur virtuell, von der Verlagsanfrage bis zur Manuskriptabgabe. Jetzt liegt es vor mir, in Hardcover, 176 Seiten stark und über 800 Gramm schwer. Mit meinen Texten und mit mehr als 40 Anleitungen für hyggelige Handarbeiten, von der genähten Patchworkdecke über das gestrickte Kuschelschaf bis zum gehäkelten Loopschal. Alle Handarbeitsanleitungen stammen von drei ausgewiesenen Expertinnen, ein Schnittmusterbogen ist auch dabei.

Noch bevor ich mein Werk selbst in der Hand hatte, kam schon die erste Rückmeldung hier auf meinem Blog. Ulrike vom Nordseeblog Watt & Meer hat sich das Buch gekauft und findet es „entzückend“ 🙂

Jetzt bin ich natürlich gespannt, was ihr zum Thema sagt! Braucht ihr mehr Hygge in eurem Leben? Womit macht ihr euch die kalte Jahreszeit gemütlich? Hättet ihr Lust auf Handarbeiten?

Einen hyggeligen Herbst wünsche ich euch allen!

P. S. Im Mai habe ich das Buch hier auf meinem Blog angekündigt.
Als kleinen Teaser gibt es hier ein deutsch-dänisches Hygge-Lied 🙂

P. P. S. Im April 2018 ist das Buch auf Dänisch erschienen! Zu bestellen zum Beispiel hier bei Saxo. Oder fragt im Buchladen eures Urlaubsortes danach.

Im September erscheint mein Buch

Heute darf ich eine freudige Nachricht verkünden: Im September erscheint mein Buch! Ein Verlag hat mich entdeckt und ich bin fleißig am Schreiben. Ich bin selber noch ganz überrascht!

Mich erstaunt nicht so sehr das Timing (die Anfrage kam Ende März und jetzt, Ende Mai, liege ich in den letzten Zügen des Manuskriptes). Und mich erstaunt kaum, dass ich entdeckt wurde, auch Verlagsleute lesen Blogs 😉

Nein, überrascht hat mich das Thema! Es ist weder märchenhafte Fantasy noch schauderhafte Kurzgeschichten – das Genre, an dem ich seit Jahren arbeite. Und doch passt das Thema perfekt zu meinem Blog, zu meiner kleinen dänischen Insel und zu der Freude, die ich empfinde, wenn ich mein Leben hier kreativ gestalte.

Ich schreibe über Hygge, das selbstgemachte Alltagsglück, den Trend zum heimeligen Wohlbefinden, der von Dänemark aus die Welt erobert. Den Wert der kleinen Pausen, die Chance, sich selbst eine Auszeit zu gönnen, im Hier und Jetzt, wo wir auch sind. Und die Befriedigung, die man spürt, wenn man Schönes in Ruhe geschaffen hat. Denn das Buch handelt von … Hygge und Handarbeiten!

Handmade Hygge: Strick-, Häkel- und Nähprojekte zum Wohlfühlen. Mit Schnittmusterbogen. Autorinnen: Carmen Wedeland, Barbara Sander, Manuela Seitter und Eva Scharnowski. Gebundene Ausgabe.

„Handmade Hygge“ erscheint am 11. September 2017 im frechverlag,  mit seiner Reihe TOPP Deutschlands führender Verlag in Sachen Handarbeiten und Kreativ-Ratgeber. Ihr könnt das Buch schon jetzt bestellen, zum Beispiel direkt hier beim Verlag oder bei Amazon.

Auf vielen schön bebilderten Seiten lest ihr zum Beispiel über …

  • Selbstgemachtes Alltagsglück: Was wir von unseren Nachbarn im Norden lernen können
  • Strikkehygge & Co.: Warum Handarbeiten glücklich macht
  • Gemütlich ist, wie du es magst: Hygge rund ums Haus

Ich gebe praktische Tipps, wie man die verschiedenen Räumen seines Hauses hyggelig gestalten kann. Und viele Dänen erzählen, was sie im Alltag glücklich macht. Dafür habe ich meine sämtlichen Bekannten hier interviewt und anschauliche, schöne Beschreibungen bekommen. Man hat sofort Lust, mit der Familie Brombeeren zu pflücken, Kuchen zu backen und ihn seinen Freundinnen zum Handarbeitstreff zu servieren!

Das Buch enthält Anleitungen für etwa 40 hyggelige Strick-, Häkel- und Nähprojekte.  Von warmen Wollsocken bis zu wunderschöner Wohnungsdeko ist für jeden Geschmack etwas geboten. Ich freue mich schon, die Nähmaschine anzuwerfen und ein paar der Projekte nachzunähen. Oder endlich (wieder) stricken zu lernen, nach dem ersten und einzigen, misslungenen Pullover meiner Jugendjahre. Zu eurem Glück sind die Anleitungen nicht von mir, sondern der Verlag hat drei Fachautorinnen engagiert, die mit Erklärungen, Bildern und Schnittmusterbögen auch Anfängerinnen Lust zum Ausprobieren machen. (Und Anfängern. Ja, Männer, traut euch!)

In den nächsten Wochen werde ich noch ein bisschen vom Entstehungsprozess des Buches erzählen und den einen oder anderen Auszug veröffentlichen. Jetzt muss ich erstmal weiterschreiben! Hier noch einmal die Beschreibung auf Amazon und der dezente Link zum Vorbestellen 😉 Liebe Grüße von der Insel, Carmen Wedeland

Die Dänen gehören zu den glücklichsten Menschen auf der Erde. Der Grund dafür ist „Hygge“ – die dänische Lebenskunst.

Sich es zu Hause gemütlich zu machen, bei einer Tasse Kakao Wind und Wetter zu trotzen, das Leben zu genießen und sich Zeit zu nehmen für sich selbst und seine Lieben – all das und viel mehr bedeutet „Hygge“. Mit diesem Buch hast du es nun selbst in der Hand, „Hygge“ in dein Leben zu holen.
In ihm findest du mehr als 40 Näh-, Strick- und Häkelprojekte zum Wohlfühlen. Was kann hyggeliger sein als dein Handarbeitsprojekt, für das du den hektischen Alltag vergisst und in dem du bei einer Tasse Tee ganz versinken kannst? Es geht nicht um Perfektion – das Hauptziel ist „Hygge“. Und das Schönste ist: Wenn das Projekt fertig ist, verbreitet es weiterhin „Hygge“, noch jahrelang.
Neben den Handarbeitsprojekten bekommst du in kurzen Texten von der in Dänemark lebenden Autorin Carmen Wedeland einen authentischen, stimmungsvollen Einblick in den Hygge-Kosmos.

Mach’s dir hyggelig!

  • Gebundene Ausgabe: 172 Seiten
  • Verlag: Frech; Auflage: 1 (11. September 2017)
  • ISBN-10: 3772481183
  • ISBN-13: 978-3772481185
  • Preis: 19,99 Euro

Jetzt hier bestellen, im September freuen 🙂

Update, 30.05.17:
Als kleinen Vorgeschmack habe ich ein deutsch-dänisches Hygge-Lied veröffentlicht 🙂

Frühjahrsgedanken-Gartenspaziergang

Heute beginnt der Frühling.
20. März, der Zeitpunkt der Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche.
Ein Wort, das zum Innehalten auffordert: im Deutschen schon durch seine Länge, im Dänischen durch seine liebevoll herausgeputzten Buchstaben: forårsjævndøgn.
Ein Moment, der zum Meditieren einlädt: zum Betrachten, Orientieren und Neu-Aufbrechen.

Ich wache, ganz untypisch für mich, zwei Stunden vor dem Weckerklingeln auf; um sechs Uhr gebe ich auf und verlasse das Bett, denn es ist schon lange hell. Endlich spüre ich wieder Energie, nach der langwierigen Erkältung vom Februar. Grüngoldenes Licht liegt über dem Feld, die Osterglocken vor dem Haus sind wieder ein Stück weiter, zum ersten Mal sehe ich eine Tannenmeise am Steinwall herumhüpfen. Vielleicht sucht sie einen Nistplatz für die Brutsaison. Beim Frühstück höre ich dem Vogelkonzert zu, das Gezwitscher wird jeden Morgen lauter.

Mittags gehe ich in den Garten, um Material für einen Kranz zu sammeln. Das mache ich alle sechs bis sieben Wochen, um den Beginn einer neuen Jahreszeit zu würdigen, gerechnet nach dem Kalender verschiedener Naturreligionen. Vor sechs Monaten habe ich damit begonnen, zur Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, als der Garten vor Hortensien und anderen rosa Blüten nur so überquoll. Auch Halloween und die Weihnachtszeit boten Material genug, selbst an Lichtmess entstand ein schöner Kranz (Fotos in meinem Beitrag Ein Kranz für jede Jahreszeit). Mir hilft dieses Ritual, mich zu erden und Orientierungspunkte im Jahr zu schaffen. Ich sehe genauer hin, was draußen vor sich geht, und hole mir ein Stück Natur ins Haus, um mich daran zu erinnern, in welchem größeren Zusammenhang ich lebe.

Ich bin gespannt, was der Garten diesmal hervorgebracht hat. Nachdem letzte Woche doch ein paarmal die Sonne schien, sollte einiges geboten sein; wir haben hier Wiesen, einen Obstgarten, einen Innenhof mit Pflanzenkübeln und diverse Beete und Gebüsche.

Es sieht tatsächlich sehr frühlingshaft aus, Schneeglöckchen und Winterlinge sind immer noch reichlich am Blühen, dazu einiges an Krokus und seit einer guten Woche auch ein Teppich von Leberblümchen in einer schattigen Ecke – die „blaue Anemone“, das Sehnsuchtsobjekt vieler dänischer Frühlingslieder.

Leider werden all diese Blumen keine Stunde an meinem Kranz frisch bleiben. Ich suche weiter, auf den ersten Blick sehe ich nichts Geeignetes, aber es ist schön, so herumzustreifen. Ich rieche Gras;  Moos und Farn federn unter meinen Füßen, viele Bäume beginnen auszutreiben, soll ich lieber eine Vase mit Zweigen füllen?

Aber der Kranz ist so ein gutes Symbol für den Jahreskreis, das immer wiederkehrende Werden und Vergehen, die Sonne, den Kosmos, die Unendlichkeit. Ich suche langsamer weiter, versuche mich von meinen Vorstellungen freizumachen, mich einzulassen auf das, was vor mir liegt. Loslassen und hinhören, genau wie im Leben, genau wie beim Geschichten-Schreiben, dann entstehen die erfreulichsten Überraschungen.

Hinter der Scheune entdecke ich eine Ansammlung kräftiges Grün. Ich glaube, es sind Hostas, ledrige, speerförmige Blätter mit gelbweißen Adern. Sie lachen mich aus dem fahlen Grasteppich an. Ich bedanke mich und schneide vorsichtig zwölf Blätter ab, so viel können die Hostas gut entbehren. Zwölf Blätter, zwölf Monate. Die Grundlage für den Kranz ist gelegt. Was weiter? Im Obstgarten finde ich noch eine Anhäufung der gleichen Hosta-Art. Ich schneide noch einmal zwölf Blätter ab. Man braucht immer mehr Material, als man denkt.

Jetzt nur noch ein paar Verzierungen. Im Beet vor dem Haus strahlt mich der Hartriegel an, tiefrote, gerade Zweige voller Energie, ich nehme sechs Spitzen mit. Wenige Meter entfernt eine kleine Trauerweide mit Kätzchen, puschelig-weich in der hängenden Baumkrone, ich nehme wieder sechs Zweige mit. Aus dem Innenhof noch ein paar leuchtend gelbe Blätter und dunkelbraune Samenstände. Ich danke dem Garten, der mir wieder genug Material geschenkt hat.

In der meditativen Stimmung, in der ich jetzt bin, vertraue ich darauf, dass mir meine Insel auch für mein Leben genug Nahrung schenken wird. Ich brauche noch weitere Aufträge (sprich: Geld) und mache mir manchmal durchaus Sorgen, wie es weitergehen soll. Aber wie schon immer: Es wird sich etwas finden. Wie viel ist nicht schon im letzten halben Jahr, seit der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, passiert? Ich habe ein halbes Kinderbuch geschrieben, war auf einer langen Deutschland-Besuchsreise, habe eine neue Freundschaft geschlossen … und seit Jahresbeginn zwei neue Teilzeitjobs gefunden, einfach indem ich auf Chancen reagiert habe. Planen und Steuern ist gut, aber der Intuition folgen und die Möglichkeiten wahrnehmen, die sich einem bieten, ist noch besser und führt zu erfreulichen Überraschungen 🙂

Ein Glückskäfer-Gast war auch dabei 🙂

Mit dem gut gefüllten Sammeleimer geht es nun ans Basteln. Ich stecke Hosta-Blätter rund um den Kranz-Rohling aus Stroh, so dass die Spitzen die Stiele überdecken. Währenddessen lasse ich die Gedanken treiben. Zwölf Blätter wollte ich außen herum verteilen, doch es reichen schon acht: Jahreszeitenfeste statt Monate, passt auch sehr gut. An der Kranz-Innenseite reichen sieben Blätter: die Zahl des Zaubers, Magie für die Mitte meines Lebens, das gefällt mir. Nun habe ich einen „Joker“, ein zusätzliches Blatt, und kann auf der Oberseite des Kranzes ganze neun Blätter flächendeckend verteilen. Eine Antwort der Natur? Leben aus dem Überfluss? Ich nehme das gern als Zusage für die nächsten Wochen und schmücke meinen Kranz mit neuer Freude fertig. Er sieht ziemlich wild aus, die Hartriegel-Zweige und die Kätzchen-Büschel jagen einander in wilden Paaren rund um den Kranz – auch passend zu diesem Tag, der ja auch ein Symbol für Fruchtbarkeit und Ekstase sein kann 🙂

Falls ihr bis hierher Geduld hattet zu lesen, erkennt ihr vielleicht die Anklänge meiner „Gartenmeditation“ an das Tarot, an Trommelreisen oder andere Wege der Erkenntnisgewinnung. Wahrsagerei? Ich glaube, diese Gedanken können wahr werden – wenn ich daran glaube und wenn ich entsprechend handle. Damit habe ich ja gerade begonnen. Im Dialog mit den Dingen, die sich um mich herum auftun.

Gestärkt und geerdet mache ich mich an die restlichen Projekte des Tages. Ich bin gespannt auf die neuen Wunder, die das Jahr für mich bereit hält. Und was soll ich sagen? Schon wenige Stunden später kommt eine Anfrage für ein neues, spannendes Projekt, genau von der Art, wie ich es mir erhofft hätte, und doch überraschend anders! Wenn es konkret wird, verrate ich mehr – ich glaube, die Magie wirkt schon mitten in meinem Leben 🙂

Welche Erkenntnisse gewinnt ihr im Gespräch mit der Natur?
Was bedeutet der Frühlingsbeginn für euch?

Ein Kranz für jede Jahreszeit

Vorgestern, am ersten Sonntag im Advent, habe ich einen Adventskranz gemacht. Ich liebe es, im Garten herumzugehen und nach Material zu suchen. Man entdeckt, was alles noch grünt und blüht – selbst jetzt, kurz vor Winteranfang. Man hat noch einmal Zeit zum Ernten, Zeit zum Erden. Man kommt mit den schönsten Fundstücken ins Haus und kann dann in aller Ruhe auswählen und dekorieren.

Mir macht das so viel Spaß, dass ich mich im September fragte: Warum immer nur einen Kranz für die Adventszeit? Der Advent markiert den Beginn des Kirchenjahres, mit den vier Kerzen lassen sich die Wochen bis Weihnachten abzählen, die immergrünen Nadeln symbolisieren die Hoffnung auf das ewige Leben in Christus.

Doch danach geht das Jahr ja weiter. Ich finde, es tut sehr gut, sich der Jahreszeiten bewusst zu werden, gerade wenn man viel am Schreibtisch sitzt oder aus anderen Gründen nicht genug rauskommt. Mit einem Kranz (oder anderen Gestecken) holt man ein Stück Natur ins Haus und wenn man ihn selber gestaltet, bekommt man noch einmal ein engeres Verhältnis zu den Pflanzen der Umgebung und ihren Veränderungen im Jahreslauf. Ich fing dieses Jahr im September damit an:

Zu Beginn des Herbstes war die Auswahl überwältigend, ich konnte gar nicht alles auf meinem Rohling unterbringen, was der Garten so bot. Ich machte den Kranz anlässlich der Tag-und-Nacht-Gleiche am 22. September. Ab jetzt würden die Nächte länger als der Tag sein, doch die Natur hatte noch viel zu bieten und das wollte ich feiern. Passend zu meinem Wohnzimmer wurde der Kranz rosa-grün-weiß und blassgelb.

Als nächsten Punkt im Jahreslauf würdigte ich Samhain und Allerheiligen. Am 31. Oktober ging ich etwas skeptisch in den Garten, doch siehe da: Mir lachten die schönsten Bastelmaterialien entgegen! Farblich dominierten Gold und Lila und die Entdeckung des Tages waren die halb vertrockneten Hostas, deren gefurchte Blätter eine eindrucksvolle Kranz-Grundlage sind.

Der Adventskranz, der seit vorgestern meinen Couchtisch ziert, ist bisher der schlichteste: grün, silbrig und ein bisschen braun. Bunte Deko sehe ich schon genug, wenn ich im Dunkeln über die Insel fahre und die rotblauen Lichterketten der Vorgärten genieße 🙂 Zu Hause zünde ich mir dann die erste Kerze an und kann den Tag in Ruhe ausklingen lassen.

Mal schauen, was der nächste Kranz hergibt! Den möchte ich zu Lichtmess am 2. Februar machen, da wird es wahrscheinlich wintrig-schlicht, aber wer weiß, vielleicht überrascht mich die Natur wieder! Sieben Wochen danach kommt schon die Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche, danach Ostern, Walpurgis/Beltane, Mittsommer und das Schnitterfest Anfang August, bevor wir wieder zur Tag-und-Nacht-Gleiche im Herbst gelangen.

Wer sich auch nur annähernd für Religion interessiert, stellt hier fest, dass ich christliche, keltische und nordisch-heidnische Festtage bunt durcheinanderwerfe 🙂 Ich finde, sie alle nutzen die Symbolik der Natur, um uns an die wichtigen Dinge zu erinnern: Leben und Tod, Ende und Neubeginn, Freude und Trauer, Akzeptanz und Dankbarkeit.

In diesem Sinne euch allen einen schönen Advent … und alles Gute zu allen Jahreszeiten  ❤

Update vom 1. Februar 2017:
Auch mein Winterkranz gefällt mir gut. Im Garten strahlten die Blätter der Stechpalme dunkelgrün und dunkelrot, gelbe Akzente setzte eine Kübelpflanze im Innenhof. Der kälteren Jahreszeit entsprechend, genehmigte ich mir als Grundlage einen weißen Dekostoff von IKEA, sieht gleichzeitig warm und schneeicht aus, oder? Dann noch ein Glas mit Murmeln in die Mitte und die Tischdekoration ist fertig. Morgen ist Lichtmess, dann zünde ich die Kerze an!

Update vom 20. März 2017:
Heute habe ich einen Frühlingskranz gemacht, nach einem meditativen Frühjahrsgedanken-Gartenspaziergang.

Geschichtenfinden beim Waldspaziergang

im-land-der-elfen-11Ein Freund von mir kann nicht spazieren gehen, ohne nach etwas Essbarem Ausschau zu halten. Kaum ist man ein paar Meter gewandert, erspäht er die ersten Pflaumen, streckt sich nach Brombeeren oder taucht im Gras ab, um einen Pilz zu untersuchen. Hinterher muss er Marmelade kochen und hat jede Menge zu tun, um das Gesammelte zu verarbeiten.

im-land-der-elfen-14Ich gehe spazieren, um mich zu entspannen. Weg vom Schreibtisch will ich an nichts denken, nur die Schönheit der Natur genießen, nicht produktiv sein und ganz sicher keine neue Arbeit mit nach Hause bringen.

Kaum bin ich ein paar Meter gewandert, kommen mir dann die ersten Ideen. Steine beginnen zu raunen, Bäume werden zu Figuren, der Weg zieht mich in eine Geschichte hinein.

Goldene Münzen rieselten aus den Baumkronen.
Ich watete durch ein Meer aus Gold, wo vorher noch schlammiger Weg war.
Die Bäume ragten wie Arme empor, ihre Stämme dick und grün, die Zweige wie Finger, denen das Gold entglitt.
Ich pflückte ein Goldstück aus der Luft und hielt es fest in der Hand.

Noch mehr Goldstücke flatterten durch die Luft, sie malten Schnüre aus Goldperlen, Vorhänge aus Goldschnüren, Wände aus Goldvorhängen – ein ganzes Goldschloss tat sich um mich auf. Ich stand im leuchtenden Saal, wo die Tänzer in langen Reihen warteten: Erle und Buche und Birk, alle waren sie erschienen. Ihre Körper wiegten sich zur Musik, glatt und grün, und ich wirbelte herum, immer wilder stiebte das Gold um mich her. Doch je mehr ich tanzte, desto durchsichtiger wurde das Schloss, und plötzlich löste es sich in Luft auf.
Schlösser aus Elfengold. So funkelnd, so flüchtig.
Ich öffnete die Hand. Das Goldstück war zu braunem Staub zerbröselt.
Erle und Buche und Birk standen still.

 

Und schon eile ich nach Hause, um das Gefundene zu verarbeiten.

Zur Entspannung taugen Spaziergänge nur bedingt – als Ideenquelle finde ich sie unschlagbar. Das Gehen hilft, die Gedanken zu lockern, die eh schon ständig in meinem Unterbewussten kreisen. Der Pfad, dem ich folge, bringt sie auf eine Linie, und die Dinge, die ich draußen sehe, geben neue Anregungen, ohne mir etwas vorzuschreiben.

Ich wollte nichts suchen, doch ich habe etwas gefunden: einen möglichen Schluss für mein Kinderbuch, das im Land der Elfen spielen soll. Einen Schluss, der zum Herbst passt, zu Samhain/Halloween und Allerheiligen, wenn die Elfen die Pforten zur Unterwelt öffnen, bevor sie sich ins Dunkel zurückziehen. Den Anfang der Geschichte habe ich in meinem Blogeintrag zu Mittsommer veröffentlicht 🙂

Ab 1.11. schreibe ich weiter, wenn der National Novel Writing Month beginnt. Vorher nicht! Ich habe zu tun! Arbeit, Termine, Projekte, Treffen … Und wenn dann doch mal ein Stündchen bleibt, will ich nicht schreiben. Dann gehe ich spazieren, um mich zu entspannen.

Ich lief weiter, doch der Weg war wieder Schlamm.
Die Luft stand still und aus den Baumkronen senkte sich das Dunkel herab.
Erle und Buche und Birk waren weg.

Doch zu Hause am Fenster saß die Katze.
Zwischen ihren Pfoten lag ein goldenes Blatt.

im-land-der-elfen-16

 

NaNoWriMo: Auf ein Neues!

Der November rückt näher.
Lange Nächte, Nieselwetter, Netflix.

Netflix? Nein. Für mich, und viele, heißt November:
Lange Nächte, Nieselwetter, NaNoWriMo.

NaNoWasBitte?

the-world-needs-your-novel

Der National Novel Writing Month, ein jährliches Event, bei dem Tausende Schreibende rund um den Erdball versuchen, jeder ein Romanprojekt von 0 auf 50.000 Wörtern zu hieven. Auf der Website nanowrimo.org kann man sich anmelden und wird süchtig danach, sich die Fleißsternchen für erreichte Zwischenziele abzuholen in einer starken Gemeinschaft angefeuert, sein Ziel zu erreichen.

Auch ich will wieder nach den Sternen greifen.
Unbekannte Welten warten!

nanowrimo_2016_webbanner_participant

Letztes Jahr habe ich zum ersten Mal teilgenommen und gleich eine Punktlandung hingelegt (mehr dazu im Beitrag „30 Tage für meinen Roman“). Trotzdem schlage ich diesmal einen anderen Kurs ein:

  1. Geschwindigkeit drosseln. Lieber Klasse statt Masse, auch beim ersten Entwurf. Denn meine letztes Jahr hingeworfenen Texte sind so mäßig, dass ich anschließend lange keine Lust hatte, an dem Buch weiterzuarbeiten. Neuer Kurs also: Kein Stress, falls ich für die täglichen 1667 Wörter  dreimal so lange brauche. Die Zeit spare ich hinterher beim Überarbeiten.
  2. Ohne Navi unterwegs sein. Diesmal schreibe ich ohne Handlungsplan. Eigentlich bin ich ja die gründlichste Plotterin des Planeten – sieht man am Drei-Meter-Handlungsplan für meinen Fantasyroman. Genau den überarbeite ich nun zum x-ten Mal, denn der letzte NaNo hat mir gezeigt, dass ich meine Hauptfiguren nochmal umcasten und einige Handlungsstränge straffen muss. Da ich das bis nächste Woche nicht fertig habe, wechsle ich diesmal von den Plottern zu den Pantsern, die ihre Geschichte beim Schreiben spontan entwickeln.
  3. Aus diesem Grund schreibe ich nicht an meinem angefangenen Roman  weiter, obwohl der zurzeit sehr stark in mir arbeitet. Sondern ich setze endlich das Kinderbuch fort, dessen erste Kapitel 2015 spontan entstanden, während ich die Streifzüge unserer Katze im Land der Elfen  beobachtete. Meine Nichten und Neffen haben neulich gefragt, ob ich die Geschichte endlich fertig habe!
  4. Ich will nicht wegen des NaNo noch mehr vor dem Computer sitzen als eh schon. Wenn mich die Arbeit dazu zwingt, heißt das ansonsten: Facebook-Rationierung, kein zielloses Surfen, Zeitung nur noch auf Papier und striktes PC-Runterfahren in allen Pausen. Wenn das und Punkt 1 bedeuten, dass ich am 30.11. keine 50.000 Wörter habe, schreibe ich halt bis Weihnachten weiter. Dann besuche ich nämlich besagte Nichten und Neffen und kann sie gleich als Testpublikum nutzen 😉
  5. Ich will nach dem NaNo nicht wieder in ein schwarzes Loch fallen, wenn all der Druck plötzlich weg ist. Daher: weiter Freundschaften pflegen, Dinge unternehmen und speziell für Anfang Dezember etwas Nettes planen. Und natürlich: weiterschreiben …

Guten Start an alle Mit-NaNonauten!
Vielleicht begegnen wir uns da draußen im virtuellen Schreibraum?

nanowrimo-tear-off-flyer02

Update, 30.11.16: Diesen NaNo habe ich mit 33.000 ausgesucht schönen Wörtern beendet.
Update 2, 30.11.17: Den folgenden NaNo konnte ich mit 52.000 Wörtern spannungsreicher Handlung beenden, hier ein Bericht dazu 🙂

Zeit zum Ernten, Zeit zum Erden

Heute beginnt der Herbst. Bucheckern und braune Blätter knirschen unter meinen Füßen. Die Nacht hat den Tag eingeholt, und ich lege zum ersten Mal in meinem Leben Rote Bete ein.

In meiner Küche türmen sich Äpfel aus unserem Garten. Manchmal finde ich eine Birne im Gras, die noch keinen Bewohner angelockt hat. Und neulich abends kullerten vor meinem Fenster Mirabellen die Straße hinab. Ich ging hinaus auf der Suche nach der Quelle. Im Licht des dunkelgelben Vollmonds fand ich den Mirabellenbaum, direkt hinterm Haus; er war dabei, das Auto meiner Vermieter mit goldenen Kugeln zu umstreuen. Nun esse ich frische Mirabellen zum Müsli und Mirabellenkuchen am Nachmittag. Wie schön, wenn einem die Früchte in den Schoß fallen, sogar ohne Gartenarbeit!

Seit ein paar Wochen stehen hier an den Landstraßen auch viele kleine Buden, in denen Gartenbesitzer ihre Ernte für wenig Geld zum Mitnehmen anbieten. Im Nachbardorf habe ich mich neulich mit der Roten Bete eingedeckt, dazu Lauch, Tomaten und Zucchini, alles besser und billiger als im Supermarkt. Auf der anderen Straßenseite gibt es Eier und Kartoffeln, und die Kinder meiner Nachbarn verkaufen Apfelmost, seit ihr Kirschbaum nichts mehr hergibt. Eine größere Auswahl an Gemüse und Fleisch bieten die Hofläden, die über die Insel verstreut liegen, und neulich war an der Kirche Erntemarkt, wo ich mich mit Marmelade und Sirup für die nächsten Monate versorgt habe.

Mir ist gerade viel mehr nach Ernten und Einmachen als nach Schreiben, Rechnen und anderer Kopfarbeit. Vielleicht ist das wieder eine der vielen Vermeidungsstrategien, die sich mein Unterbewusstsein ausdenkt, um mein finanzielles Vorankommen und andere messbare Erfolge zu verhindern. Vielleicht brauche ich einfach diese geruhsame Tätigkeit nach der Arbeit in der Touristensaison. Oder es ist das Landleben, das mich nach drei Jahren endlich im Griff hat: Ich spiele doch tatsächlich mit dem Gedanken, den Garten nächstes Jahr systematischer zu nutzen, vielleicht mal ein Beet anzulegen, den Stachelbeerbusch zu retten … oder wenigstens am Fensterbrett Kräuter zu ziehen, wenn für mehr die Ausdauer nicht reicht.

Ein jegliches hat seine Zeit, sagte schon der Prediger Salomo. Pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit.

Bilanz ziehen hat seine Zeit, hätte er vielleicht in heutiger Management-Sprache geschrieben.

Ich glaube, ich brauche diese Phase des Sammelns, des Verarbeitens, um auch mein Leben zu betrachten und was ich damit machen will; um meine Gedanken zu ordnen, mich zu erden, einen Vorrat anzulegen an guten Dingen, mit denen ich weiterarbeiten will. Ob das nun Jobs sind, die mich ernähren, oder Menschen, die mich erfreuen; Stoffe, die ich vernähe, oder Ideen, aus denen ich Geschichten entwickle. Vielleicht kann man in der Küche ganz nebenbei Romanfiguren einlegen, Handlungsstränge vermischen und aufgehen lassen, Stilelemente kleinhacken und drüberstreuen. Ich glaube nämlich, es gärt in mir 🙂

Sobald der Garten leergeerntet ist, sobald in meine Küchenschränke nichts Neues mehr passt, setze ich mich wieder an den Schreibtisch. Dann sind die Abende lang, der Nebel quillt über den Feldern, ich öffne meine Vorratsbehälter und schreibe los.

Einen schönen Herbst und eine gute Ernte euch allen!

Musik als Muse

Gestern wollte ich endlich an meinem Roman weiterarbeiten. Dutzende Ideen warten schließlich darauf, geordnet und ausformuliert zu werden. Aber nach mehreren Monaten Sommerjob war ich müde. Ich hörte Musik und driftete ab. Und so endete der Abend mit einer Shoppingtour auf Amazon, wie schon so manche Abende vorher. Doch ich hoffe, dass diese Einkäufe mich später beim Schreiben unterstützen werden. Denn ich kaufte Musik, noch mehr Musik. Und Musik hilft mir beim Schreiben, ganz allgemein oder auch für bestimmte Zwecke. Hier eine Auswahl meiner Lieblingsstücke:

Treppenhaus Stift MelkGeorg Friedrich Händel: „The Messiah“
Der grüne Tee in meiner Musiksammlung, denn klassische Musik fördert die Konzentration. Mit über zwei Stunden Spielzeit ist das Oratorium lang genug, um komplexe Produktbeschreibungen für meinen Kunden zu bearbeiten. Leider werde ich das Stück bei keinem Konzert mehr genießen können, ohne dass vor meinem inneren Auge Tabellen und Bullet Points erscheinen. Eine ähnliche Wirkung hat auf mich z. B. die „Johannespassion“ von Bach. Beides funktioniert aber nur, weil ich die Stücke schon längst in- und auswendig kenne, so dass mich der Text nicht mehr ablenkt.

Feuerwerk in ChinaMichael Gioacchino: „Super 8“
Diesen Tipp habe ich von der Website eines anderen Schriftstellers und wenn ich noch wüsste, von wem, würde ich mich überschwänglich bei ihm bedanken. Ich habe mir angewöhnt, die Filmmusik zu hören, wenn ich Romanszenen aus der Sicht meines Protagonisten entwerfe. Inzwischen sehe ich die Welt schon aus seinen Augen, sobald die ersten Takte laufen! „Super 8“ ist die Cocktailkarte in meiner Kollektion: Die Stücke versetzen mich in ganz unterschiedliche Stimmungen, meist schwingt etwas Unheilvolles und Dringliches mit. Ähnlich gut funktioniert die Filmmusik zum „Herrn der Ringe“ von Howard Shore – nur dass ich hier der Versuchung widerstehen muss, alle paar Seiten Orks durch mein Buch jagen zu lassen.

Glaspalast in IndienAgnes Obel: „Aventine“
Dieses wunderschöne Album wäre die Weißweinschorle in meiner Musikbar, und seit dem ersten Hören assoziiere ich es mit einer weiteren Hauptfigur meines Romanprojekts. Klaviertöne wie glitzernde Glasperlen, schwingende Saiten und eine Stimme, die Felsen vibrieren lassen könnte – Obels Musik malt meine Fantasy-Insel vor mein inneres Auge, so, wie sie meine Protagonistin liebt. Sie ist Glaserin und rein zu Recherchezwecken habe ich vor Kurzem ein Album mit Glasharmonika-Musik angeschafft: William Zeitler, „Music of the Spheres“. Auch das ist so schön, dass ich den ganzen Abend in Insel-Erscheinungen schwelgen könnte, statt sie endlich verständlich aufzuschreiben 🙂

Statuen in KärntenHerbert Howells: „Requiem/Take Him, Earth, For Cherishing“
Natürlich wird meine Romaninsel in ihrer ganzen Schönheit irgendwann untergehen – oder? Das glückliche Leben mancher Figuren wird jedenfalls schmerzvolle Veränderungen erfahren.  Melancholie, Loslassen, Versöhnung und Hoffnung – so eine Stimmung strebe ich gegen Ende meines Buches an. Und finde sie in der o. g. Sammlung englischer Chorwerke von Howells. (Um in der Getränkemetapher zu bleiben: dem Salbeitee mit gaaaanz viel Honig in meiner Sammlung.) Ähnlich ergreifend finde ich auch das „Pater Noster“ von Michael Bojesen, eine sehr moderne Komposition, die für mich nun bis zum Jüngsten Tag mit meiner Kurzgeschichte „Siebenfinger“ verbunden sein wird: helle Stimmen, die aus dem Jenseits rufen …

Habt ihr auch solche Musikstücke, die euch in eine andere Welt versetzen und eure Kreativität beflügeln?

(P. S. Die Fotos haben geografisch oder geschichtlich nichts mit den Stücken zu tun, aber sie versetzen mich in eine ähnliche Stimmung 😉 )