Englische Gedichte übersetzt: George Herbert, Love III

Heute ist Gründonnerstag. Aus diesem Anlass möchte ich wieder ein Gedicht vorstellen, das ich übersetzt habe: LOVE III.

Es stammt von George Herbert (1593 – 1633), einem englischen Theologen, der zu den berühmten metaphysical poets zählt.

Herberts Gedichte behandeln religiöse Themen auf sehr persönliche und oft rätselhafte Weise. Ich habe versucht, mich einem dieser Rätsel anzunähern.

Hier das Werk im Original:

LOVE III

LOVE bade me welcome: yet my soul drew back,
Guiltie of dust and sin.
But quick-ey’d Love, observing me grow slack
From my first entrance in,
Drew nearer to me, sweetly questioning
If I lack’d anything.

A guest, I answer’d, worthy to be here:
Love said, You shall be he.
I, the unkind, ungratefull? Ah, my deare,
I cannot look on thee.
Love took my hand and smiling did reply,
Who made the eyes but I?

Truth Lord; but I have marr’d them: let my shame
Go where it doth deserve.
And know you not, sayes Love, who bore the blame?
My deare, then I will serve.
You must sit down, sayes Love, and taste my meat.
So I did sit and eat.

George Herbert, aus: The Sacred Temple (1633)

Das ist meine Übersetzung:

LIEBE III

„Sei mir willkommen“, grüßte Liebe mich,
Der ich als Sünder kam.
Als hastig meine Seele von ihr wich,
Gequält von Schuld und Scham,
Da folgte Liebe voller Sorge mir:
„Sag, woran fehlt es dir?“

„Es fehlt ein Gast, der deiner würdig wär.“
Sie sprach: „Du darfst nicht gehn,
Sei du mein Gast.“ – „Ich bin zu böse, Herr,
Dich auch nur anzusehn.“
Doch Liebe lächelte: „Weißt du, mein Gast,
Durch wen du Augen hast?“

„Herr, ich verdarb, was ich von dir bekam.
Bestrafe mich gerecht.“
„Weißt du, wer starb und alles auf sich nahm?“
„Dann dien ich als dein Knecht.“
„Ich lade dich zum Hochzeitsmahle ein.“
So nahm ich Brot und Wein.

George Herbert.
Übersetzt von Carmen Wedeland, Karfreitag bis Ostermontag 1993.

Weitere Übertragungen, teils mit etwas anderer Interpretation, gibt es zum Beispiel hier beim Blog Theaterliebe.

Aus dem Dänischen habe ich folgende Gedichte/Liedtexte übersetzt:
Grundtvig, Skyerne gråner – Grau sind die Wolken. Passend zum Herbst, Luciafest und zu Weihnachten.
Ingemann, I sne står urt og busk i skjul – Der Schnee bedecket Busch und Baum. Passend zum Winter und zum Frühling.

Liebe Grüße von der Insel und gute Osterfeiertage euch allen, Carmen Wedeland

4 Gedanken zu “Englische Gedichte übersetzt: George Herbert, Love III

  1. Liebe Carmen, über dieses Gedicht bin ich auf dich aufmerksam geworden – und ich bin erstaunt, was für eine interessante Menschenseele sich dort auf Mon verbirgt und immer mehr und neu entbirgt!
    Auf jeden Fall hast du jetzt einen Fan mehr!
    Zum Gedicht: die Übersetzung, auch im originalen Reimschema, ist fantastisch! Ich bin wirklich begeistert. Vielleicht ist die Zeit, in der du es übersetzt hast, das Geheimnis für derartiges Gelingen: ab Karfreitag, also auch noch den dunklen Karsamstag integrierend…
    Wie bin ich auf dieses Gedicht – und somit auf dich – gestoßen? Über die Philosophin, Sozialkritikerin und Christin Simone Weil. In einer Kurzbiographie über sie hab ich gelesen, dass dieses Gedicht für sie sehr bedeutsam war. Simone Weil schreibt über dieses Gedicht, das sie auswendig lernte: „Ich glaubte, nur ein schönes Gedicht zu sprechen, aber dieses Sprechen hatte, ohne dass ich es wusste, die Kraft eines Gebetes. Einmal, während ich es sprach, ist … Christus selbst herabgestiegen und hat mich ergriffen. …“
    Da ich des Englischen nicht so mächtig bin, suchte ich im Netz nach einer deutschen Übersetzung und fand all die mittelmäßigen Versuche, bis ich deine Version entdeckte…
    Ich freue mich auf den weiteren Austausch über alles Mögliche und ein persönliches Kennenlernen irgendwann.
    Mit herzlichen Grüßen
    Josef Grießhaber

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    • Lieber Josef, vielen Dank für deine freundlichen Worte. Manchmal zweifle ich, ob ich meine Übersetzungen veröffentlichen soll, weil ich denke, dass sich nur wenige Menschen so vertieft für Lyrik interessieren, vor allem für ältere und religiöse Texte. Aber dann höre ich von einigen wenigen, denen diese Gedichte wirklich etwas bedeuten, und das ist wichtiger als 500 „Likes“. Herzliche Grüße zurück in den Süden, Carmen

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  2. Sehr geehrte Übesetzerin,
    auch ich bin über Simone Weil auf dieses Gedicht gestoßen, habe auch den Gedichtband „The Temple“ bei mir liegen und dann interessehalber nach Übersetzungen gesucht. Ich fragte mich nach der Lektüre von Simone Weil, was ist so besonders an diesem Gedicht, dass es eine solche spirituelle Kraft entfalten konnte? Der Schlüssel liegt eigentlich beim Leser/der Leserin. Wer bereit ist sein Herz zu öffnen und dies in Bescheidenheit tut, kann nachempfinden und mitempfinden, was dieses poetische Mantra uns geben kann. Sie haben die Stimmung, das Schwingen des Originals aufgefangen und in einer Nachdichtung wieder aufleben lassen.
    Vielen herzlichen Dank dafür und die besten inspirierten Grüße
    Leonhard Schiffer

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