Kunstpause

Nun ist es ein Jahr her, dass ich zum letzten Mal etwas auf diesem Blog veröffentlicht habe. Und ich muss der Tatsache ins Auge sehen, dass ich wahrscheinlich nicht mehr regelmäßig hier schreiben werde. Das hat mehrere Gründe, zum Glück ziemlich positive:

  • Ich habe eine Teilzeitstelle als Kirchensängerin bekommen und mache gleichzeitig eine Gesangsausbildung. Beides macht mich glücklich, fordert aber Zeit.
  • Ich habe auch ansonsten mehr Arbeit, die Geld bringt, und daher weniger Muße zum Bloggen.
  • Ich verwende die Freizeit, die mir bleibt, um an einem Fantasy-Buch zu schreiben.
  • Der Blog hat sehr viel davon gehandelt, eine Auszeit zu machen und ein neues Leben zu beginnen, zum Beispiel in Dänemark. Inzwischen ist das Leben hier aber mein Arbeitsalltag und mir sind andere Themen wichtiger geworden.

Ich erwäge, den Blog abzuschalten, bringe es aber noch nicht übers Herz. Danke an alle, die ihn immer noch abonnieren, kommentieren oder mir schreiben. Es kann  dauern, bis ich reagiere. Ich bitte um Verständnis und wünsche euch allen viel Glück dabei, eure eigenen Träume zu verwirklichen!

Wo dir Vögel und Grashüpfer guten Morgen sagen

Ein stiller Tag auf meiner Insel. Vom Waldrand spazieren zwei Fasanen heran. Ich atme die frische Luft: Hier ist die Welt noch in Ordnung! Die Fasanen scheren auseinander, laufen im Formationstanz durch das Feld. Dann nehmen sie die Köpfe tiefer und gehen zum Hahnenkampf über.

Die Natur kommt einem hier wunderbar nah. Und es geht nicht immer so friedlich zu wie mit der Taube, die letzten Sommer unsere Pension besuchte. Bertil tauften wir sie. Bertil stand im Innenhof herum, hüpfte im letzten Augenblick aus dem Weg, wenn Gäste ihre Koffer heranrollten, und übernachtete aufgeplustert auf dem Stein vor der Eingangstür. Eines Morgens spazierte er durch die offene Küchentür und folgte dem Koch in den Speiseraum. Er wurde dann wieder hinausgebeten.

Bertil, in Betrachtungen versunken

Ich entdeckte den Ring an Bertils Beinen und rief die Telefonnummer an, die darauf stand. So erfuhr ich, dass Bertil mehrere hundert Kilometer geflogen war. Der Vorbesitzer meinte, er sei erschöpft und desorientiert. So gab ich Bertil Wasser und Linsen und er begann, nicht dem Koch, sondern mir hinterherzuspazieren. Schließlich flog er weiter, vielleicht auf dem Weg zum Nordpol.

Dieses Jahr hat sich keine Taube hier niedergelassen. Doch irgendwo im Äther muss es eine Seite mit Hotelbewertungen geben, die unseren Hof für fliegende Viecher aller Art empfiehlt. Denn nun habe ich oft Gesellschaft von einem Grashüpfer. Vielleicht ist es auch eine Grille, aber zum Glück zirpt sie nicht. Dafür raschelt das Viech ganz schön, wenn es nachts versucht, durch den Türspalt zu kommen. Ich glaube, ich nenne es Grugru. So langsam haben wir eine Beziehung aufgebaut, sie verläuft nach festen Mustern. Ich scheuche Grugru in den Innenhof, am nächsten Morgen sitzt er wieder vor der Tür. Ich trage ihn in den Garten, am nächsten Tag sitzt er in der hintersten Zimmerecke. Ich trage ihn über die Straße zu den Nachbarn, die freuen sich sicher über Besuch.  Am nächsten Morgen, ich will gerade frühstücken, sitzt Grugru auf dem Fensterbrett und sieht mir zu.

 

Nun habe ich Grugru ins Treibhaus getragen, vielleicht mag er da seinen eigenen Hausstand gründen.

Ich glaube, ich gehe Grugru bald besuchen. Irgendwie ist es mir ohne Viecher zu einsam im Zimmer.

Dänisch lernen – wie geht das?

Nun wohne ich bald fünf Jahre in Dänemark. Im Sommer treffe ich hier viele deutsche Touristen. Manche machen seit Jahren in Dänemark Urlaub, einige träumen davon, hierher auszuwandern. Wenn sie merken, dass ich fließend Dänisch spreche, kommt häufig die Frage:

Wie hast du eigentlich Dänisch gelernt?

Ich konnte schon leidlich Dänisch, bevor ich hierherzog. Die Grundlagen lernte ich mit 18 Jahren bei einem Abendkurs an einer dänischen Schule in Südschleswig. Das ist die Gegend kurz vor der dänischen Grenze, wo ich aufgewachsen bin. Sie gehörte früher einmal zu Dänemark und noch heute lebt hier eine dänische Minderheit, die ihre eigenen Schulen betreibt. Leider gehöre ich nicht zu den Glücklichen, die zweisprachig aufgewachsen sind. Also fuhr ich einmal die Woche zum Unterricht; ich kann mich nicht mehr erinnern, ob der Kurs über ein halbes oder ganzes Jahr ging. In dieser Zeit lernten wir genug Dänisch, um uns in Alltagssituationen durchzuschlagen, und das konnte ich bei Ausflügen ins Nachbarland natürlich sofort umsetzen.

Das nächste Jahr las ich dänische Comics. Asterix, Tim und Struppi und andere Serien, die ich in der kleinen Schulbibliothek auslieh. Auch ein paar richtige Bücher waren irgendwann dran. Und abends sah ich Nachrichten im dänischen Fernsehen, unter Protesten meiner Eltern und Schwestern. Wir reden schließlich von einer Zeit, als sich eine Familie einen Fernseher als einzige Filmquelle teilte 😉 Heute gibt es ja viel mehr Möglichkeiten, von Nachrichten und Filmen bei Danmarks Radio über allerlei Online-Medien bis hin zu YouTube.

Nach dem Abitur spendierten mir meine Eltern einen weiteren Sprachkurs: diesmal drei Wochen intensiv, an der Internationalen Heimvolkshochschule in Helsingør, nördlich von Kopenhagen. Ich teilte mit einer Ungarin das Zimmer, hörte einem japanischen Opernsänger beim Üben zu und schloss Freundschaft mit einem schottischen Sprachgenie … die meisten Unterhaltungen fanden auf Dänisch statt. Weil mir das so gut gefiel, belegte ich ein Jahr später in den Semesterferien noch einen Kurs: diesmal ganze zwei Monate an der Brandbjerg Højskole in Jelling. Ich belegte Kurse in kreativem Gestalten, europäischer Kulturgeschichte und Dänisch, wir machten Ausflüge und sangen morgens fleißig Lieder aus dem højskolesangbog. Für einen Højskole-/Heimvolkshochschul-Kurs waren die zwei Monate ein kurzer Aufenthalt, viele Dänen verbringen an solchen Institutionen ein halbes oder ganzes Jahr, um sich in allerlei Fachgebieten weiterzuentwickeln. Weitere Informationen gibt es auf der gemeinsamen Webseite der Heimvolkshochschulen, oben rechts versteckt sich dezent der Link zur englischen Seite 😉

Nach diesen zwei Monaten sprach ich schon ziemlich fließend, doch leider rostete mein Dänisch in den folgenden Jahren vor sich hin. Zwar hatte ich die Wochenzeitung Politiken Weekly abonniert, um an meinem bayerischen Studienort nicht all mein Dänisch zu vergessen (heute könnte man einfach alle möglichen Online-Zeitungen lesen). Ich suchte den Kontakt zu Dänen und aus ein paar lockeren Treffen entstand ein skandinavisch-deutscher Studentenverein, doch leider war die Umgangssprache Deutsch (und Facebook, Skype oder andere Austauschmöglichkeiten gab es noch nicht). Ich wohnte in Süddeutschland, zwei Jahre lang sogar in China, und als ich mit 40 Jahren das erste Mal die Pension auf Møn anrief, die inzwischen mein Zuhause geworden ist, musste ich mir vorher zurechtlegen, wie man auf Dänisch ein Zimmer bestellt.

Im August 2013 begann der fünftägige Urlaub, aus dem eine mehrmonatige Auszeit und schließlich ein Umzug wurde. Schon vom ersten Tag an redete ich konsequent Dänisch, wann immer es irgend ging. Auch, wenn mein Gegenüber gut Deutsch oder Englisch konnte. Ich wollte ja üben. Und das hat sich wirklich ausgezahlt!

In der ersten Woche meldete ich mich beim Kirchenchor an, schon drei Tage nach meiner ersten Probe sollten wir in einer Kirche singen. Beim anschließenden Kaffeetrinken hatte ich wirklich zu kämpfen, ich verstand vielleicht zwei Drittel der Unterhaltung und das auch nur, solange ich mich konzentrierte. Doch ich machte weiter. Las die Lokalzeitung, zunächst nur einen Artikel pro Mahlzeit, danach war ich erledigt. Ging sonntags in die Kirche und folgte der Predigt, bis mir die Ohren rauschten. Ließ mich überreden, einen kleinen Erfahrungsbericht auf Dänisch zu schreiben, auch wenn es mich Stunden kostete und ich Dänen zum Korrekturlesen brauchte. Augen zu und durch!

Ist Dänisch schwer?

Auch das werde ich immer wieder gefragt. Was soll ich dazu sagen? Es kommt darauf an, wie gern man Sprachen lernt und wie sprachbegabt man ist. Ich bin so ein Sprachfreak, dass ich auch Chinesisch nicht wirklich schwer fand, man braucht nur Zeit, Lust und ein gutes Lernumfeld …

Mal ehrlich, im Vergleich zu vielen Sprachen ist Dänisch für Deutsche geschenkt. Man kann viele Wörter raten (mus heißt Maus, hus heißt Haus). Die Grammatik ist einfacher (ich bin, du bist, er ist: jeg er, du er, han er). Viele Sprichwörter und Wortbildungen kommen uns aus dem Deutschen bekannt vor (at gå i hundene: vor die Hunde gehen).

Das größte Problem ist für viele die Aussprache. Die ist wirklich gewöhnungsbedürftig. Hier wäre es am besten, man würde die Verwandtschaft zum Deutschen vergessen, denn die hunde (Hunde) werden ausgesprochen wie hunne.  Das jeg (ich) wie jai. Dänisch klingt, als hätte man beim Sprechen eine Kartoffel im Mund, sagte man südlich der Grenze oft. Man muss lernen, die Wörter zu verschleifen, je undeutlicher, desto besser, und wenn es dann noch authentisch klingen soll, am besten noch den „Stoß“ einbauen, dieses Krächzen vor und nach vielen Vokalen, dem ich auch nach 27 Jahren Dänisch-Sprechen ausweiche. So etwas lernt man nicht von Büchern.

Lohnt es sich, Dänisch zu lernen?

Trotz aller Hängepartien, die man unterwegs vielleicht erlebt, finde ich, es lohnt sich auf jeden Fall. Zumindest, wenn man oft in Dänemark ist oder vielleicht sogar hierher auswandern will. Auch wenn viele Dänen bereitwillig auf Deutsch umschalten, auch wenn man auf Reisen mit Englisch gut durchkommt: Es macht mehr Spaß, wenn man mehr mitbekommt. Was um einen herum geredet wird. Was in den Nachrichten kommt. Was im Kleingedruckten steht, und zwar in der aktuellen Version. Inzwischen verstehe ich 99 Prozent der Unterhaltungen im Chor. Lese die ganze Lokalzeitung in einer Mittagspause. Arbeite für diverse dänische Kunden und schreibe fehlerarm auf Dänisch. Nur meine Aussprache verrät mich als Ausländerin, doch ich bilde mir ein, ich komme immer öfter unerkannt davon 🙂

Wie ist es mit euch? Warum und wie lernt ihr Dänisch, was findet ihr schwer dabei und hat es sich trotzdem gelohnt?

Liebe Grüße aus Møn, Carmen Wedeland

Dankbar für 20 Dinge

Heute bin ich für 20 Dinge dankbar. Das bin ich jeden Tag, weil ich es so beschlossen habe.

Jeden Abend vor dem Einschlafen mache ich mir bewusst, was wieder für gute Dinge passiert sind. Denn ich denke, Glücklich-Sein kann man üben.

Sich freuen und dankbar sein.
Den Tag an sich vorbeiziehen lassen.
Zur Ruhe kommen und gut schlafen.

Es funktioniert immer wieder. Entweder fallen mir 20 Dinge ein und ich bin glücklich. Oder ich schlafe ein, bevor ich bei Nr. 20 angelangt bin.

Wahrscheinlich wird euch die folgende Liste auch zu einem dieser beiden Ergebnisse bringen 🙂

 

Heute bin ich, in frei assoziierter Reihenfolge, dankbar:

1. Für den Geruch nach Frühling bei meinen Spaziergang durch die Hügel.

2. Für die Hühner der Nachbarn, die im Skiurlaub sind. Also die Nachbarn fahren Ski, nicht die Hühner. Die Hühner haben fleißig Eier gelegt und mich von ihrer Stange freundlich angegluckert, als ich ihr Häuschen für die Nacht schloss.

3. Dafür, dass mir Menschen ihre Tiere anvertrauen; dass mir andere Menschen ihren Briefkasten oder ihren Hausschlüssel anvertrauen; überhaupt für die gute Gemeinschaft in unserem kleinen Dorf.

4. Für den Fuchs, der die Hühner heute verschonte und bei den Kühen am Waldrand herumsaß. Er ließ mich ziemlich nah herankommen, bevor er mit wehender Rute davonsprang.

5. Für meine neue Arbeit als Kirchensängerin. Die mir quasi zugelaufen ist – wenige Wochen nachdem ich überhaupt die Idee dazu bekam. Heute habe ich bei zwei Trauerfeiern gesungen, ein überraschend wohltuendes Erlebnis, in einer Kapelle voller Blumen, guter Worte und schöner Lieder.

6. Für meinen Gesangslehrer, der mir in bisher nur zwei Stunden überraschend Hilfreiches beigebracht hat. Und für die vielen Chorleiter, die mir im Lauf meines Lebens wichtige Grundlagen vermittelt haben.

7. Für ein ganz und gar nicht kirchliches Lied, das ich im Radio gehört habe und das jetzt mein neuer Ohrwurm ist (Malaeducazione von Guè Pequeno).

8. Für die Bücherei in unserem Insel-Hauptort Stege, wo man stundenlang in einer der gemütlichen Leseecken sitzen kann, um zu lesen, oder zu essen, oder was man sonst in der Pause zwischen zwei Trauerfeiern machen will.

9. Für die freundliche Insel, auf der ich wohne, wo alles, was man im Alltag braucht, einfach zu erreichen ist, auf schönen Wegen ohne Stau und Stress.

10. Für die Muse – wo auch immer sie herkommt –, die mich in diesen Wochen wieder beim Schreiben beflügelt, so dass ich morgens mit Freude den Computer einschalte.

11. Für meine gewohnte Arbeit als Teilzeit-Tellerwäscherin. Sechs Gäste waren zum Saisonstart in die Pension gekommen und wider Erwarten hatte ich in der Winterpause nicht vergessen, wo die Suppenkelle hängt.

12. Für meine Vermieter und Teilzeit-Arbeitgeber, die reizendsten Menschen der Welt, die sich über alles und jedes freuen und von denen ich in Sachen Dankbarkeit noch viel lernen kann!

13. Für die Kleidung, die ich gerade trage: eine Hose und eine Weste, die ich selbst genäht habe. Aus Jeans-Stretch, mit Taschen, Reißverschluss, Ziernähten und allem Pipapo.

14. Für meine Nählehrerin, die mir all das und noch mehr beigebracht hat.

15. Für die Kleidung, die ich gerade gewaschen habe: sieben neuwertige Teile, für zusammen 30 Euro gestern im Rotkreuzladen erstanden.

16. Für das gute Essen, das ich heute wieder in meinem Kühlschrank fand. Nachdem ich es gestern selbst gekocht hatte, versteht sich.

17. Für das neue Hintergrundbild auf meinem Computer. Es ist ein Schnappschuss aus dem Kopenhagener Aquarium Den Blå Planet, wo ich diese Woche mit einer Freundin war.

18. Für die Menschen um mich herum. Die mir vertrauen und mir Arbeit geben. Die mich unterstützen, wenn ich Hilfe brauche. Die Freud und Leid mit mir teilen. Die meinen Blog lesen und machmal etwas dazu schreiben. Danke, dass ihr alle da seid!

19. Für mein unglaublich bequemes Bett, in das ich bald fallen werde.

20. Und für meine innere Uhr, die seit ein paar Tagen freiwillig auf Sommerzeit umgestellt hat und mich morgen hoffentlich fröhlich aufstehen lässt.

Wofür seid ihr heute dankbar?

Der Ruf, der aus der Kälte kam

Neulich wäre unsere Nachbarin fast gestorben. Doch dann passierte DAS.

Solche Sätze nerven, oder? Am besten scrollt man gleich weiter. Wer draufklickt, macht sich lächerlich. So würde es mir jedenfalls vorkommen.

Mich nervte neulich auch etwas. Freitagmorgen in den Winterferien, ich hatte geduscht und öffnete das Fenster. Der Dampf mischte sich mit der eisigen Luft, während ich mir Schaumfestiger in die Haare knetete. Ein komisches Geräusch kam von draußen, äh!, äh!, hatten wir seit Neuestem Pfauen in der Nachbarschaft? Ich ging in die Küche, machte Frühstück und aß. Jetzt die Einkaufsliste schreiben, aufräumen und wenn die Haare trocken waren, würde ich einkaufen fahren, denn übers Wochenende hatte sich Besuch angekündigt. Ich beobachtete die Rehe auf dem Feld.

Hm, eigentlich hat hier niemand Pfauen.
Ich ging zurück ins Bad. Da war das Geräusch wieder.

Die Kinder von nebenan? Ich öffnete die Tür.
Da, wieder das Geräusch. Eher ein Ruf.

Äh! Äh!
Was sollte der Blödsinn?
Ich machte mir einen Tee.
Das Geräusch störte mich, auch wenn ich es jetzt nicht mehr hören konnte.
Es ging mir nicht aus dem Kopf.
Wenn es nun Hilferufe waren?

Im Hof war niemand zu sehen. Meine Haare waren immer noch nass. Ich wollte nicht raus, ich bildete mir das alles ein.

War da wieder was? Es nervte. Äh! Äh!

Ich kam mir lächerlich vor, als ich Mantel und Mütze anzog. Warme Stiefel, Schal und Handschuhe. Wahrscheinlich war ich paranoid. Aber zur Sicherheit würde ich jetzt einmal um den Hof patrouillieren. Wäre doch zu blöd, wenn ich später erführe, dass da jemand um Hilfe gerufen hatte und ich hatte nicht reagiert. Ich stellte mir vor, dass jemand eingesperrt war oder mit einer kippligen Leiter kämpfte. Oder eben doch die Kinder Quatsch machten.

Da war das Geräusch wieder. Äh!
Kein Pfau. Aber auch kein Wort. Oder?
Oder hieß es etwa … Hjælp!? Das dänische Wort für Hilfe?

Dann hörte ich deutlich: Hallo?
Ich rief zurück: Hallo? Das Wort hallte durch die Ortschaft.
Stille.

Ich rief nochmal, es fühlte sich falsch an. Spielte mir jemand einen Streich?
„Hvor er du?“, rief ich, „wo sind Sie?“ – und plötzlich kam eine Antwort.
Ich verstand kein Wort, doch ich folgte dem Klang.
Und dann sah ich die Nachbarin von gegenüber.

Sie lag auf dem Grundstück nebenan und hatte sich den Fuß gebrochen. Eine Viertelstunde hatte sie gerufen, niemand war gekommen. Ich weckte ihren Mann, wir riefen den Krankenwagen, packten sie in Decken, brachten heißen Tee. Nach zehn Minuten kam ein Sanitäter und verabreichte Schmerzmittel. Doch bis der Krankenwagen eintraf, verging etwa eine Stunde. Während der es ihr langsam immer schlechter ging.

Nach einer Woche Krankenhaus ist sie nun wieder zu Hause. Mit mehreren Schrauben im Fuß. Drei Wochen darf sie nicht auftreten, ihre Körpertemperatur ist immer noch niedrig. Und sie sinniert, ob sie ohne mein Eingreifen überlebt hätte.

Darüber sinniere ich auch – und es ist kein gutes Gefühl.
Kann man mitten in unserem Dorf sterben, weil niemand etwas hört und zu Hilfe kommt?

Vielleicht hätte ein anderer das Fenster geöffnet und rechtzeitig reagiert. Die meisten Nachbarn waren nicht zu Hause.
Vielleicht hätten die Kolleginnen ihren Mann aus dem Bett geklingelt, um zu fragen, wo sie bleibe. Die Anrufliste war leer.
Vielleicht hätte sie zur Straße kriechen und ein Auto stoppen können. Hier fahren im Winter täglich mehrere Autos vorbei. In der Viertelstunde war sie nicht weit gekommen.

Vielleicht hätte ich in Ruhe meinen Tee trinken können und nichts Schlimmes wäre passiert.
Vielleicht ist nicht gut genug.

Leute, es ist kalt da draußen. Verlasst euch nicht darauf, dass schon nichts passiert. Oder dass ein anderer sich kümmert.
Hört hin, wenn euch etwas komisch vorkommt.
Geht der Sache nach, auch wenn es euch und andere stört.
Es kann sein, dass ihr damit Leben rettet.
Oder zumindest etwas Wärme in das Leben eines Menschen bringt.

P. S.
Das gilt auch für anderes Situationen.
Konflikte in der U-Bahn. Geschrei bei den Nachbarn. Geraunte Berichte, halb ausgesprochene Bitten.
Ein paarmal habe ich reagiert. Ein paarmal zu spät. Ein paarmal gar nicht.

Ich bereue weniges, was ich getan habe. Aber vieles, was ich nicht getan habe.

Black Friday – Green Friday

Heute ist „Black Friday“. Der Tag der Schnäppchen, der Tag des Kaufrausches. Einer der umsatzstärksten des Jahres, vor allem in den USA, wo die Tradition herkommt. Dort ist der Black Friday ein Brückentag, er liegt zwischen Thanksgiving und dem Wochenende, das der Adventszeit vorausgeht. Ab diesem Tag schreiben viele Geschäfte schwarze Zahlen.

In Europa ist der Black Friday erst vor wenigen Jahren angekommen, aber auch hier klingeln heute die Kassen, zu Rabatt-Reklamen genauso wie zum Jingle-Bells-Gedudel.  Überall glitzert es, überall soll man Geschenke kaufen, sich Schönes gönnen, Schnäppchen jagen. Ein vorgezogener Start ins Weihnachtsgeschäft … war dieser Tag wohl mal. Inzwischen gibt es ja rund ums Jahr Anlässe zum Shoppen.

Es gibt aber auch Gegenbewegungen. Den Green Friday, den z. B. die Stadt Kopenhagen ausgerufen hat: Tauschbörsen, Bastelworkshops und Second-Hand-Verkäufe zelebrieren  Nachhaltigkeit statt Konsum. Den Kauf-Nix-Tag verschiedener Gruppierungen. Und kirchliche Stimmen, die daran erinnern, dass übermorgen erstmal Totensonntag ist, dass danach der Advent zur inneren Vorbereitung dient und Weihnachten erst nach Heiligabend beginnt.

Solgt – verkauft: Für welchen Preis?

Mich stressen all die Konsumaufforderungen schon länger. Sie sind ein Grund, warum ich inzwischen lieber auf dem Land lebe als in der Großstadt. Mit Blick auf Wiesen und Gewässer statt auf Schaufenster und Coffee-Shops, wo ich bei jedem Schritt eine Konsumentscheidung treffen muss. Ich habe meine Freizeit am Black Friday besinnlich verbracht: mit einem Spaziergang im Wald. Hier steht nicht neben jeder Tanne ein Losverkäufer, neben jedem schönen Objekt ein Preisschild. Ich kann beim besten Willen im Wald nichts kaufen. Green Friday pur – ein bisschen grün und vollkommen frei.

Ich hatte zwar überlegt, ob ich in unser Inselstädtchen fahren und ein Schnäppchen machen sollte. Die teuren Gummistiefel mit dem guten Profil, um die ich schon länger herumschleiche. Schöne Dinge aus dem Stoffladen. Oder ganz einfach den Wocheneinkauf. Aber ganz ehrlich: Ich bin schon 30 Jahre ohne Gummistiefel durch den Matsch gelaufen. Habe mehr Stoffe im Schrank als Zeit zum Nähen. Und bloß weil ich nur noch eine Stange Lauch und drei Zwiebeln im Gemüsefach habe, mag ich nicht zweimal 17 km Auto fahren.

Im Gegenteil, ich habe beschlossen, dass ich ab heute ein Experiment starte. „White Week“ könnte man es nennen, auch wenn der Begriff schon anderweitig gebrandet ist. Ich meine damit eine Woche mit leerem Einkaufszettel. Denn meine Küche quillt über von Konserven und Gläsern, Tiefgekühltem und Getreideprodukten. Ich glaube, ich kann für mehrere Tage Pizza backen, Auflauf machen und Falafel fabrizieren, bevor ich auch nur mein Gehirn anstrengen muss.

Der eine Lauch und die Zwiebeln werden den Ehrenplatz in meinem Speiseplan bekommen. Mit Glück finde ich im Garten noch ein paar Äpfel. Weiteres frisches Obst und Gemüse werde ich vermissen. Aber die vielen Reklamen und das Gedudel nicht.

Wie nutzt ihr den Black Friday, was erhofft ihr euch von der Vorweihnachtszeit?

Liebe Grüße von der Insel, Carmen Wedeland

Spaß mit Pflanzendruck

Ich habe mal wieder eine neue Kreativtechnik ausprobiert: Ecoprint und Sunprinting. Zwei verschiedene Möglichkeiten, um Stoffe mit Hilfe von Pflanzen zu färben und zu gestalten. Ob zarte Blütenabdrücke oder filigrane Blattsilhouetten, die Ergebnisse waren ziemlich zauberhaft 🙂

Die Gelegenheit bot sich vor Kurzem am Kursuscenter Emilielunden, der Handarbeitsschule auf Møn, wo ich seit ein paar Jahren an Nähkursen teilnehme. Gastlehrerin des Wochenendkurses war Mette Back und dank ihrer Anleitung konnten sieben neugierige Teilnehmerinnen schnell loslegen.

Beim Sunprinting färbt man Stoffe und dekoriert sie nachträglich mit den Silhouetten von Pflanzenteilen (oder anderen interessant geformten Gegenständen). Helle Baumwollstoffe, Leinen oder Seide sind gut geeignet. Die Pflanzen sollte man ein paar Tage vor Verwendung sammeln und etwas pressen, denn nur die flachen Teile hinterlassen Abdrücke.

Man breitet die Stoffe auf einer geeigneten Unterlage aus und steckt sie am besten mit Nadeln fest, damit sie glatt liegen. Man besprüht die Stoffe mit Wasser, damit sie leicht feucht sind. Danach bemalt man sie mit Textilfarbe (wir verwendet Farben und Bindemittel von Uniprint; ich weiß leider nicht, wie die Materialien in Deutschland heißen). Anschließend legt man die Pflanzenteile auf den Stoff und fixiert kritische Stellen mit Stecknadeln, damit sie sich nicht vom Stoff lösen.

Sunprinting: Ich experimentiere u. a. mit Farn, Plastikperlen und Pappbuchstaben.

Und dann heißt es: abwarten, bis der Stoff ganz trocken ist, und auf keinen Fall vorher die Pflanzen anheben. Denn unter den Pflanzen bleibt der Stoff länger feucht. Um das auszugleichen, ziehen die umliegenden Stoffbereiche die Farbe unter den Pflanzen hervor. Und wenn man dann – in der Sonne nach ein-zwei Stunden, in einem geschlossenen Raum nach einem Tag – endlich die Pflanzen absammeln kann, kommen fast röntgenartige Bilder zum Vorschein.

Ecoprinting ist eine völlig andere Technik. Hier verwendet man Farbstoffe, die die Pflanzen selber abgeben. Die Ergebnisse sind weniger berechenbar, verschwommener, aber mir gefallen sie vielleicht noch besser. Als Untergrund eignen sich helle Seiden-, Woll-, Baumwoll-, Leinen- oder Viskosestoffe. Pflanzen, die erfahrungsgemäß gut Farbe abgeben, sind z. B. Eukalyptusblätter, Zwiebelschalen, Rosenblätter, Geranien- und Stiefmutterblumen und das Laub vieler Bäume von Ahorn über Buche bis zu Zwetschge. Auch diese Pflanzenteile werden ein paar Tage vor der Verwendung gepresst, wobei es wichtig ist, sie in Plastik einzupacken, damit sie nicht austrocknen.

Man breitet die Stoffe aus und besprüht sie mit einer Mischung aus einem Teil Wasser und einem  Teil Essig. Die Pflanzenteile taucht man in eine Eisen- oder Kupfersulfatlösung (5 ml Sulfat in einem Liter Wasser verrühren) und tupft sie auf einem alten Handtuch ab. Dann verteilt man sie auf dem Stoff. Der Stoff wird anschließend auf einen Stab (z. B. abgesägter Besenstiel) aufgerollt und fest mit Baumwollstreifen umwickelt (Schnur geht auch, hinterlässt aber Abdrücke). Anschließend legt man die Stoffrollen in Wasserdampf. Der Dampf und die Sulfate sorgen dafür, dass die Farbstoffe aus den Pflanzen in den Stoff übertreten. Nach zwei Stunden im Dampf heißt es auspacken!

Wer will, kann auch noch ein Stück frisch gefärbten Stoff mit in die Rolle wickeln, dann bekommt man farbigen Stoff mit zusätzlichen Pflanzenabdrücken.

Ich habe bei dieser Gelegenheit entdeckt, dass mir Zwiebelschalen ganz ausgezeichnet stehen. Die Schalen von roten und gelben Zwiebeln, teils in Eisen-, teils in Kupfersulfat getränkt, auf Seide verteilt und einmal gefaltet, ergaben ein farbenfrohes Stück Stoff.

Nun freue ich mich umso mehr darauf, dass im Herbst der Nähkurs wieder anfängt. Ich will mir unbedingt ein seidiges Zwiebeltop nähen!

Habt ihr auch Spaß an solchen Kreativprojekten? Beides Druckverfahren sind nicht schwer und ich glaube, sie würden auch mit Kindern Spaß machen.

Einen schönen Sommer voller Blüten und Blätter wünsche ich euch 🙂

Magischer Mittsommer-Besuch

Es ist Sommersonnenwende. Der längste Tag ist vorbei, die kürzeste Nacht angebrochen.  Die Grenzen zwischen den Welten verschwimmen, und magische Wesen tauchen aus den Feenhügeln auf. Zwei davon, ein Pärchen Trolle aus dem Kliffwald, hat heute Abend mein Zuhause besucht. Es gefällt ihnen hier auf dem Bakkegaard (und sie lassen ihre Schöpferin Susanne Hegnsvang grüßen). Euch allen eine magische Mittsommerzeit!

Sieben Wochen ohne Facebook

Ich habe gefastet. Von Aschermittwoch bis Ostersonntag: Sieben Wochen ohne Facebook. Das war mein letzter Facebook-Eintrag am Faschingsdienstagabend:

Sieben Wochen Zeit. Zum Lesen, Schreiben, Spazierengehen. Um Freunde zu treffen oder zu telefonieren. Um öfter wegzukommen vom Computer. Darum versuche ich es jetzt mal: Sieben Wochen ohne Facebook. Von Aschermittwoch bis Ostersontag. Wer mich persönlich kennt – bitte haltet den Kontakt per Mail oder Telefon. Wer mich nicht wirklich kennt – wird mich vermutlich auch nicht vermissen. Euch allen eine gute Zeit.

Seit 2011 war ich auf Facebook unterwegs. 204 Freunde habe ich dort momentan. Und obwohl ich nur einen Bruchteil davon persönlich kenne, interessierten mich an jenem Abend doch die Reaktionen:

Facebook-Fasten, der Vorabend
Ich bleibe auf Facebook, auch als ich längst ins Bett will, nur um die Reaktionen zu beobachten.
Mehrere Likes in kurzer Zeit. Grüße und Ermunterungen diverser Bekannter. Eine sagt, sie könne Facebook genauso wenig entbehren wie Kaffee. Ich freue mich, dass ich vor Kurzem auch meinen Kaffeekonsum reduziert habe. Auch so eine Abhängigkeit.

Schreibe persönliche Nachrichten an einige Freundinnen, mit denen ich mich öfter über Facebook austausche und verabrede. Sie haben alle auch meine Mailadresse und Telefonnummer. Bitte um Verständnis, dass sie diese in Zukunft auch benutzen müssen, ich möchte ja gerne in Kontakt bleiben.

Endlich, ca. 23.30 Uhr: Ausloggen und Facebook-Lesezeichen im Browser löschen. Vom Tablet Facebook deinstallieren. Nicht dass ich morgen ganz automatisch wieder drin bin. Gehe ins Bett und fühle mich, als hätte ich einen langen Urlaub vor mir.

Ommmmm … Strand von Greve an einem frühen Freitagmorgen

Facebook-Fasten, Tag 1
Herrlich, wie viel Zeit ich ab jetzt haben werde.
Ist auch nötig, ich bin mit den Texten für einen Kunden hinterher. Heute werde ich stark aufholen.

Verbringe zuviel Zeit damit, alte Artikel in meinem eigenen Blog zu lesen.
Beantworte immerhin mehrere persönliche E-Mails gleich, statt sie monatelang im Posteingang schmoren zu lassen.

Lese im Freizeitmonitor 2016, einer Umfrage über die Freizeitaktivitäten im Jahresvergleich: Medien und Sport boomen – Zeit für Kontakte nimmt ab. Die meisten Deutschen wünschen sich mehr Begegnungen und Gespräche, verbringen aber die meiste Zeit vor Smartphone und Computer.

„Ihr interessiert mich schon, aber näher komm ich nicht!“

Ja, soziale Kontakte. Im letzten Jahr habe ich es (durch gezielte Bemühungen) geschafft, mir auf meiner Insel ein gutes kleines Netzwerk an Freundschaften aufzubauen. Leider habe ich sie alle in den letzten Wochen schon wieder vernachlässigt, aber das lag nun wirklich an den vielen Viren, die hier gerade grassieren. Jetzt muss ich meine Erkältungsisolation wenigstens zum Arbeiten nutzen.

Kaufe neue Musik im Internet. Hilft beim Arbeiten.
Eigentlich müsste ich auch Internetfasten machen. Wird aber schwieriger, denn das brauche ich zum Arbeiten.
16.00 Uhr: Endlich wirklich am Arbeiten. Mit guter Musik auf den Ohren.

Facebook-Fasten, Tag 2
Größten Teil des Tages unterwegs. Danach viel Zeit mit dem Lesen irgendwelcher Artikel im Internet verbracht. Aber immerhin, das fällt unter Wissenserweiterung (etwas fundierter als die üblichen Facebook-Memes).

Facebook-Fasten, Tag 3
Ganzen Tag kaum an Facebook gedacht. Nichts vermisst. Abends zum ersten Mal (wie schon lange geplant) um kurz nach zehn im Bett und tatsächlich noch über eine Stunde in einem guten Buch gelesen.

Facebook-Fasten, Tag 4
Schöner Offline-Tag. Vormittags genäht, nachmittags geputzt und eingekauft. Abends  wieder drei persönliche E-Mails sorgfältig beantwortet. So richtig auf die altmodische Art, mit Anrede, Bezug auf die empfangene Nachricht, Bericht über mein Leben, Wünsche für den anderen, Grußformel, fast so schön wie ein handgeschriebener Brief. Zuwendung. Wenn ich nicht so müde wäre, könnte ich jetzt glatt anfangen, das Manuskript gegenzulesen, das eine Bekannte mir gemailt hat. Aber das Risiko, dann wieder im Internet abzudriften … hmmm …

Facebook-Fasten, nach sieben Wochen
Ab Tag 5 hörte ich auf, über meine Erlebnisse mit dem Facebook-Fasten Tagebuch zu führen. Es erschien mir ganz normal. Ich hatte anderes zu tun. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass ich zuvor jeden Tag auf dieser Plattform war! Und dass in der Regel jedes Mal eine halbe Stunde damit herumging, auch wenn ich das gar nicht geplant hatte. Und dass ich in der Regel täglich mehrfach dort war. Obwohl ich es „nur“ am Laptop nutzte. Nicht auszudenken, wenn ich auch noch ständig am Smartphone hängen würde. Es waren ja so schon … wenn ich ehrlich bin … auf jeden Fall 300 Stunden im Jahr. Vielleicht sogar noch mehr. Deutlich mehr? Die Zeit könnte man nutzen, um ein ganzes Buch zu schreiben. Oder sieben Wochen Urlaub zu machen!

Habe ich durch den Facebook-Verzicht Zeit gewonnen?
Das will ich meinen – siehe oben! Ich habe nicht Buch darüber geführt. Aber ich habe in diesen sieben Wochen:

  • mehrere gute Bücher durchgelesen
  • das Manuskript einer Bekannten testgelesen und ausführlich kommentiert
  • ein paar arbeitsaufwändige Nähprojekte fertiggestellt
  • relativ viel gearbeitet (ergo, Geld verdient)
  • trotzdem noch einigermaßen Zeit für Freunde gehabt
  • und ein paar sehr schöne Wanderungen gemacht

Mein Kalender zeigt reichlich erledigte Termine und Aufgaben, mein Posteingang ist überschaubar. Komischerweise ist meine To-Do-Liste noch genauso lang wie im Februar. Man kann halt nicht pausenlos produktiv sein.

Was habe ich sonst noch gewonnen?
Zwei große Vorteile, mit denen ich nicht gerechnet hatte!

  • Die Nackenschmerzen sind weg, die mich seit letztem Herbst geplagt hatten. Sie begannen im September, als ich von meinen Rezeptionsjobs (viel stehen, gehen und Sachen herumtragen) wieder an den Schreibtisch wechselte. Im Winter war es so schlimm, dass ich bei längeren Autofahrten wirklich litt. Der Arzt tippte auf Maus-Hand. Seit ich nicht mehr ständig scrolle und klicke, sind die Schmerzen weg. Und ich will sie auf keinen Fall wiederhaben.
  • Ich schlafe um Längen besser! Das kann daran liegen, dass ich mir nicht mehr ständig das Gefühl antrainiere, ich könnte etwas verpassen. Dass ich weniger blaues Bildschirmlicht abbekomme. Aber auch daran, dass ich früher ins Bett gehe und lese, um vom Tag abzuschalten (für sowas habe ich ja jetzt Zeit). Oder es liegt daran, dass ich abends weniger esse. Egal, ich freue mich sehr darüber, denn jede suboptimale Nacht führt zu einem suboptimalen Tag.

Was habe ich ohne Facebook vermisst?
Da war tatsächlich einiges:

  • Das Gefühl, einfach mal Zeit zu verschwenden. Ich habe (wieder mal) gemerkt: Ich kann nicht immer produktiv sein, ich kann mich nicht mal immer „gezielt erholen“, ich WILL auch mal Zeit verplempern, sonst fühlt sich der Tag so vollgestopft an. Ich mache das jetzt ein bisschen auf anderen Wegen, meist lande ich bei irgendwelchen Nähvideos oder Stoff-Webshops – zum Glück ohne ständig dabei was zu kaufen 😉
  • Die Möglichkeit, schnell etwas nachzufragen. In der Møn-Gruppe: wie lange man wohl an einem Freitagmorgen Richtung Kopenhagen braucht. In der Nähgruppe: eine Umfrage für einen Text, an dem ich gerade schreibe.
    Die Updates aus einigen Schreibgruppen über Literaturausschreibungen, den Austausch über Buchprojekte, die gegenseitige Ermutigung von Autoren.
  • Die Möglichkeit, etwas über Leute zu erfahren, die mir begegnen, oder nachzusehen, wie es Bekannten geht. (Wobei das Gepostete ja nur ein Ausschnitt ist – ein persönliches Gespräch ist besser.)
  • Die Möglichkeit, meinen Blog bekannter zu machen. Früher habe ich jeden Blogeintrag auf Facebook beworben. Seit ich das nicht mehr tue, habe ich deutlich weniger Leser und weniger Austausch, denn die meisten scheinen lieber auf Facebook zu kommentieren als auf meinem Blog selbst. Vermutlich, weil auch hier Facebook niedrigschwelliger ist.
  • Die Möglichkeit, meine Lieblingsbilder von Møn in Facebook-Alben zu teilen. Ich hatte ja nun wieder Zeit für Spaziergänge und Hunderte Fotos von Kreidefelsen, Stränden und Städten gemacht. Die kann ich doch nicht alle in diesen Blog quetschen?
  • Und, last but not least: Das informelle Beisammensein, das Gefühl, man ist nicht allein. Auf Facebook ist immer irgendwer für lustige Kommentare oder einen kurzen Chat greifbar. „Soziale Medien“. Niedrigschwellige Geselligkeit. Aber genau die führt, glaube ich, dazu, dass viele abends am Bildschirm hängen, statt mit ihren Mitmenschen live oder telefonisch zu kommunizieren.

Jetzt – überraschend schnell – sind die sieben Wochen rum. Na gut, minus einen Tag. Es ist Ostermontag, die Fastenzeit ist vorbei. Noch war ich nicht wieder auf Facebook. Erstmal zeige ich noch ein paar Fotos 😉 – auch dies habe ich in den letzten Wochen neu entdeckt, bei Spaziergängen mit Freundinnen:

Soll ich jetzt wieder auf Facebook gehen?
Ich schwanke. Ja, ich hätte große Lust, diesen Blogeintrag zum Facebook-Fasten auf Facebook zu bewerben 😉 Ich bin auch neugierig, ob viele persönliche Nachrichten aufgelaufen sind, obwohl ich versucht hatte deutlich zu machen, dass ich über diesen Kanal nicht erreichbar bin.

Tag 1 nach dem Fasten, 15.28 Uhr
Also gut. Ich gehe wieder auf Facebook. Ich muss ja den Post vom Faschingsdienstag kopieren, um ihn an den Anfang dieses Beitrags zu stellen. Was habe ich verpasst?

  • Eine Freundschaftsanfrage von jemand, den ich nicht kenne. Wir haben fünf gemeinsame Freundinnen, von denen ich nur eine im echten Leben getroffen habe. Erstmal ignorieren.
  • Sechs persönliche Nachrichten. Darunter eine Geburtstagseinladung, die ich später per Mail nachgereicht bekam (es war eine wirklich schöne Feier). Einen nützlichen Linktipp von einer Bekannten, ich merke mir die Webseite für später. Der Rest ist vergleichsweise belanglos.
  • 74 gemischte Benachrichtigungen. Interessant: Die Vorankündigung eines Schreibwettbewerbs, aber dessen Homepage hatte ich eh schon unter Beobachtung. Nettes Geplauder in der Schreibgruppe. 21 „Gefällt mir“ für meine Facebook-Abstinenz-Ankündigung. Der Rest ist irrelevant.

Zeitverbrauch, um das alles zu sichten: eine halbe Stunde.
Und ich habe noch keinen Blick in meine Timeline geworfen.

Tag 1 nach dem Fasten, 15.57 Uhr
Ich riskiere einen Blick in meine Timeline. Ganz oben ein Katzenbild von einer Freundin. Darunter weitere Beobachtungen dieser Freundin, soweit ganz schön. Werbung von Samsung. Mehrere Freundinnen teilen ein Video über ein Recyclingprojekt in Schweden.
Ein Bericht fesselt mich, eine Autorin berichtet von ihren Erfahrungen mit einer Autismus-Spektrum-Störung, ich lese mich in den Kommentaren fest und erwäge, ihr zu schreiben. Lasse es dann doch, sonst muss ich ja später wieder checken, ob ich eine Antwort bekommen habe.
Zurück zur Chronik, nun erwartet mich ein Essensfoto und Werbung für Slipeinlagen. Facebook verbiegt sich wirklich in jede Richtung, um meine Interessen zu treffen. Darunter Fotos aus einer Nähgruppe, Kommentare zu den Schuhen einer Bekannten, Muffinfotos und Diskussionen über den Sinn und Unsinn von Ostern. Bleibe an viel zu vielen Bildern aus der Nähgruppe hängen, schon wieder ist fast eine halbe Stunde rum.
Noch einen Klick auf die neuesten Katastrophenwarnungen aus dem Yellowstone National Park. Vielleicht fliegt uns bald das ganze Magma um die Ohren.
Das Leben kann sehr kurz sein.
Zu kurz für so viel Facebook.

Jetzt ist es 16.30 Uhr.
Eine ganze Stunde für zwei-drei interessante Infos. Die ich vorher nicht vermisst hatte.
Eine Stunde unverbindlicher Zeitvertreib. OK für Regentage, an denen man all das geleistet und erlebt hat, was man sich wünschen kann.
Für alle anderen Tage zuviel.

Tag 1 nach dem Fasten, 17.02 Uhr
Mist. War ich eben schon wieder eine halbe Stunde auf Facebook?
Keine Ahnung, was ich da gemacht habe.

Und ich habe ja schon versucht, mich zurückzuhalten. Früher hätte ich diese eine Stunde, nein ANDERTHALB STUNDEN, JEDEN TAG verplempert, vielleicht sogar mehr. Mal am Stück, mal durch ständige Unterbrechungen meiner sonstigen Tätigkeit, weil die Ablenkung ja immer nur einen Klick weg ist. Und die Jungs wissen, wie sie einen festhalten.

Ich glaube, ich werde meinen Facebook-Konsum weiterhin stark einschränken.

Vielleicht zweimal im Monat, wenn ich etwas gebloggt habe, reingehen und den Eintrag bewerben. Damit ihr dann entscheiden könnt, ob ihr euch weiter von Facebook  ablenken lasst oder von meinem Blog 🙂

Danach meinetwegen eine Stunde herumlesen, aber NICHT MEHR.
Am besten geh ich nur noch auf Facebook, wenn ich kurz danach aus dem Haus muss. Mit Wecker, damit ich den Termin nicht verbummele.

So, dann geh ich diesen Eintrag mal bewerben, mal schauen, wie viele Likes ich dafür bekomme 🙂

Wie nutzt ihr Facebook denn so?
Oder wie geht es euch mit anderen „sozialen Medien“?

Frohe Ostern und einen guten Frühling euch allen!

Elfchen zur Weihnachtszeit

Weihnachten – Wintersonnenwende – jul: Eine Zeit, in der zauberhafte Dinge geschehen. In Dänemark bevölkern die „Nissen“, kleine Wichtel, das Haus. Und mein Blog wird von „Elfchen“ übernommen.

Ein Elfchen ist eine nette kleine Schreibübung: ein Gedicht, das aus elf Wörtern besteht. Das „klassische“ Elfchen verteilt diese elf Wörter so:

  • Zeile 1: ein Wort, das Thema deines Gedichts
  • Zeile 2: zwei Wörter, die das Thema beschreiben
  • Zeile 3: drei Wörter, die das Thema weiter vertiefen
  • Zeile 4: vier Wörter, die deine Gedanken dazu wiedergeben
  • Zeile 5: ein Wort als Fazit

Eine schöne Form für Stimmungsbilder! Hier ein paar Versuche von mir:

Møn Ulvshale und Nyord Winter 2015
wintermeer
glänzend grau
wellen unterm sonnenlicht
brücke in das ewige
staunen

 

Møn Bakkegaard Adventskranz 2015
Kerze
Zieht Licht
Aus dem Dunkel
Zauber der verborgenen Welt
Mysterium

 

Island Gletschersee JökulsarlonAls Souvenir aus Island:

gletscher
gleitet meerwärts
in sonne gelöst
in kälte gebunden das
mammut

 

AlpenwinterwolkenAngereichert mit Alliterationen:

wolken,
windes wanderer:
wabernde, wie wunschgespinste,
wehet weither wehmut, weiße
wunderländer

 

Keramik von Heidi Bruun PedersenVorwärts und rückwärts lesbar:

ei
erst, dann
huhn? so? oder
so: huhn, dann erst
ei?

 
Oder die festlich-befreite Form – mit der ich euch allen schöne Feiertage wünsche, wo und wie ihr sie auch begehen mögt:

dichte nacht
bedeckt das feld
bedrängend
beklemmend
herab sinkt die stille

wolf
umkreist die herde
am boden
zitternd
duckt sich das lamm

stille
harren
schweigend die schäfer
starr das lamm
abwartend der wolf

aufschießend, strahlend
erleuchtet, erhellt
den offenen himmel
freudvolle nacht
ein stern

lobt jubelt und singt
umrundet die welt
befreit und bewegt, löst angst und leid
verbindet und heilt, hoffnung macht
neues leben

schäfer
eilen zum licht
beschwingt
vom glauben getragen
verlassen die herden

lamm
befreit, allein
vertraut ohne zagen
himmel auf erden
dem gesang

mit ihm
lauscht dem lied
voll fried
paradieses klang
bruder wolf