Vor gut einem Jahr stellte ich fest, dass ich allmählich in Dänemark angekommen bin – erkennbar u. a. an meinen Heringsvorräten, meinem Kaffeekonsum und meinem fließenden IKEA-Dänisch. Inzwischen hat sich die Lage zugespitzt.

Lakritz-Bacon im dänischen Supermarkt
Essenskultur
Finde es ganz normal, dass in der Butter Salz ist und in allem anderen Lakritz.
Kaufe koldskål med kammerjunkere, sobald die Temperaturen im Plusbereich liegen. Eine leckere kalte Buttermilchsuppe für den Sommer!

Wieder eine, die nur fotografiert und nix kauft. Nåå.
Sprache
Sage ständig Nååååå. Werde das auch im Deutschen einführen. Sprecht mir nach: Ein sanft angesetztes N, danach ein tiefes, kurz abfallendes, dann vorsichtig ansteigendes, bedrohlich knirschendes und doch immer butterweiches offenes O. So wie das O in „Groll“, nur lang, damit man alle Bedeutungsnuancen auskosten kann:
„Du isst diesen langweiligen Bacon? Willst du nicht noch mal drüber nachdenken? Der Bacon mit Lakritz ist viel besser.“
→ Nåååååååååå?, extralang, bohrender Nachhall.
„Hm. Dann ist dir wohl nicht zu helfen.“
→ Nåå!, leicht und knapp, wie ein innerliches Fallenlassen.
„Echt jetzt? Ihr lebt ohne dieses Wort? Wie geht das?“
→ Nå?!, extrakurz, steil hochschwingend, dabei Augen aufreißen.
Bemerke immer mehr, wie kompliziert wir Deutschen denken und reden.
Deutsch: Sehr geehrte Damen und Herren …
Dänisch: Gar keine Anrede, wenn man den Angeredeten nicht kennt.
Deutsch: Ich lade dich auf ein Stück Kuchen ein.
Dänisch: Jeg giver kage.
Deutsch: Komisch, da war doch was. Hat sie nicht erst vor einem Jahr über das gleiche Thema geschrieben?
Dänisch: Nåååååååååå?
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

Leider reichen ein paar löchrige Münzen dem Steuerwesen nicht mehr.
Habe zum ersten Mal in Dänemark Einkommensteuer bezahlt. Sehe auch schon kommen, dass das nicht das letzte Mal war.
Beginne das dänische Mehrwertsteuergedöns zu kapieren. Das sich nur in Details vom deutschen Mehrwertsteuergedöns unterscheidet. Die dich Jahre deines Lebens kosten.
Bin jetzt Vorstandsmitglied im Glasfaserverein unseres Dörfchens und schreibe komplizierte Protokolle in fragwürdigem Dänisch.
Neben Technik und Dänisch ist Sport meine große Stärke: Bin zu den hiesigen Olympischen Spielen eingeladen worden.
Na gut, diese Olympischen Spiele sind das Sommerfest der Nachbarn, mit Axtweitwurf und Scheunenstaffellauf für die Kinder. Werde mich abends zum Grillen dazugesellen.
Ortskenntnis
Habe fast jedem Baum im Kliffwald die Hand geschüttelt. Mache mich nun daran, alle Inselstrände abzuschreiten.

5000 Jahre dänische Geschichte. An der Spitze ich: Kong Asgers Høj auf Møn
Sowas zahlt sich aus! Habe den Auftrag bekommen, Infotexte für einen neuen Wanderweg rund um Møn zu übersetzen. Unter anderem mit der Begründung, man wolle eine „Einheimische“ für diese Arbeit.
Treffe beim Einkaufen immer irgendwen, den ich kenne.
Kriege das Geschehen in Deutschland kaum noch mit. Das in Dänemark allerdings auch nicht. Schwebe glücklich im Nirwana.
Achtungsbezeugungen
Würdige jeden Stein und jeden Grasbuckel, jeden Zaunkönig, jedes Leberblümchen. Die ganz alltägliche Natur: in Liedern besungen, beim Morgenkaffee besprochen, auf Facebook gepostet.

Immer hereinspaziert: dänische Flagge im Kalvehave Labyrintpark
Bin ganz überrascht, wenn deutsche Kirchenlieder nur acht Strophen haben und man davon höchstens vier singt. In Dänemark zieht man vierzehn Strophen durch. Jeder Vogel und jedes Blümchen hat seine eigene.
Beginne die Arbeitstage in meinem Sommerjob damit, die dänische Flagge zu hissen. Wichtig: Bis an die Spitze, nicht so halbmastmäßig wie bei meinem ersten Versuch. Sonst denken meine Arbeitgeber vom Labyrinthpark in Kalvehave, jemand sei in ihrem Irrgarten verendet.
Update, März 2017: Ich werde noch ein bisschen integrierter 🙂
Update, Januar 2018: Ich werde weiter integriert!
Klingt wie im Bilderbuch, Carmen. Einen schönes langes Wochenende wünsch ich; Stefanie
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