Drei Meter Handlungsplan

Heute möchte ich euch eins meiner Lieblingswerkzeuge beim Romanschreiben vorstellen. Es füllt die komplette Wand gegenüber meinem Schreibtisch:

Handlungsplan Roman roter Faden

Der Drei-Meter-Handlungsplan 🙂

„Warum Handlungsplan?“, fragt ihr vielleicht.

Viele Autoren schreiben nach Gefühl drauflos, die Handlung ihres Buches haben sie im Kopf oder sie entwickelt sich beim Schreiben, am Ende wird alles überarbeitet (oder auch nicht).

Ich fühle mich mit einem klaren Plan wohler – zumindest bei meinem Fantasy-Romanprojekt. Denn dessen aktuelle Fassung hat fünf Hauptfiguren, aus deren Perspektiven berichtet wird – da muss man den Überblick behalten, wie sich die Geschichte aus Sicht jeder Figur entwickelt. Ich habe diverse Handlungsstränge, Geheimnisse und Konflikte, die logisch aufgebaut und gelöst werden wollen.

In der Ideenfindungsphase habe ich auch einfach drauflosgeschrieben – allerdings nur Stichworte, Dutzende Seiten davon: zu meiner Fantasy-Welt und ihren Bedingungen, zu meinen Figuren und ihren Beziehungen, zu meinen Metaphern und Kernaussagen. Ich habe Schlüsselszenen entworfen, die unbedingt vorkommen sollten; der Wendepunkt in der Mitte und der Höhepunkt kurz vor Ende waren mir schon klar, lange bevor ich die Anfangsszenen plante. Auf diese Punkte soll alles hinauslaufen – und der Leser soll sich an die Stirn fassen und sagen: Ja klar – warum habe ich das nicht gleich geblickt?

Dazu muss die Geschichte stimmig sein.

Allerdings ist es mir beim Schreiben oft passiert, dass ich selbst meine Handlung nicht mehr durchschaute – auch nachdem ich fünf von zehn Hauptfiguren gestrichen hatte.

Handlungsplan Roman Gliederung Textverarbeitung

Gliederung und Textanfang im Open Office Writer

 

Selbst auf einem großen Computerbildschirm kann man nicht alles im Blick behalten …

 

Handlungsplan Roman Seitenüberblick Textverarbeitung

alle Stichwortseiten auf einmal, Versuch in Word

 

…. oder wenn, dann erkennt man keine Details mehr!

 

 

Handlungsplan Roman Gliederung Papyrus Autor

Gliederung, Text und Notizen in Papyrus Autor

 

Mit einer speziellen Schreibsoftware geht es um Längen besser – mit dieser hier kann man zum Beispiel auch Zeitleisten abbilden. Das ist einen eigenen Blogeintrag wert, kommt später!

 

 

Trotzdem: Die Situation war unbefriedigend.

Handlungsplan Roman SzenenzettelIrgendwann kam ich darauf, alle wichtigen Handlungsbestandteile auf kleine Zettel zu schreiben. So à la „Hauptfigur kommt am Schauplatz an“, „das Geheimnis der Insel wird gelüftet“, „die Welt steht kurz vorm Untergang“ usw. Es wurden unglaublich viele Zettel, es ging unglaublich langsam, aber mir half es, das Material in der Hand zu haben, es durchzuarbeiten, herumzuschieben. So fiel mir etwa auf, dass ich viele Elemente fusionieren konnte: Aus „das Geheimnis der Insel wird gelüftet“ und „die Welt steht kurz vorm Untergang“ ließ sich zum Beispiel eine Szene machen. Schließlich hatte ich 60 Zettel, jeder beschreibt in ein bis vier Sätzen eine Szene meines Handlungsentwurfs.  (Eine Szene ist eine Einheit, die aus der Perspektive einer Figur geschrieben ist, mehrere Szenen bilden bei mir ein Kapitel.) Ich habe die Szenen je nach Perspektivfigur farbig markiert.

Handlungsplan Roman auf KüchenfußbodenDann wollte ich alles vor mir ausbreiten. Letztes Jahr ging das nur auf dem Küchenfußboden. Es wurde eine wahrlich kreative Woche: Ich ging in meinem Buch herum, ich platzierte gläserne Leuchttürme und blonde Schurken darin, ich fand den roten Faden und übertrug alles in den Computer, gefüllt mit immer mehr Details. Leider bekam ich wenig zu essen, weil ich so schlecht an den Herd oder den Kühlschrank kam.

 

Doch dann konnte ich meine Schreibwerkstatt einrichten! Noch bevor mein geliebter Sechs-Meter-Schreibtisch entstand, ging ich zum Inselschlosser und ließ mir drei Stahlplatten nach Maß zurechtschneiden. Der Autolackierer daneben sprühte sie ein, über der farbigen Schicht ist durchsichtiger Tafellack. An diesem Punkt gebe ich gerne zu: Ein Whiteboard wäre einfacher und billiger gewesen. Aber meine Schreibwerkstatt soll nach Werkstatt aussehen, nicht nach Büro! Und meine Kreidefelsen-Fantasy soll mit Hilfe von Kreide entstehen 🙂 Da die Variante vom Strand doch etwas bröckelt, wurde es normale Tafelkreide, außerdem kaufte ich ca. 200 kleine Magnete.

Der Rest ging fast von allein:

Jede Hauptfigur bekam ihre eigene Zeile, so dass man die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven getrennt verfolgen kann. Die Haupt-Hauptfigur in der mittleren Zeile hat 20 Szenen, die anderen je acht bis 12 – hoffentlich hilft das dem Leser genauso bei der Orientierung wie mir. Ganz am Anfang steht noch eine separate Magnettafel, wo momentan die Landkarte meiner Fantasy-Insel und die Hobbymalerversion eines möglichen Titelbildes hängen; hier könnte man auch Fragen oder Prämissen notieren.

Nachdem ich alles chronologisch angeordnet hatte, ging ich noch etwas davor auf und ab, betrachtete die Abläufe, stimmte sie mit der Planung im Computer ab. Dabei wurden mir selbst einige Bezüge und Wendungen erst richtig klar – sowas lässt sich dann schnell mit Kreide notieren. Am Ende drapierte ich den roten Faden, damit ich beim Schreiben keine Szene vergesse. Das Ungeheuer tauchte übrigens von selbst an der richtigen Stelle auf – und morgens lächelt es mich voll Tatendrang an, wenn ich aus dem Schlafzimmer komme 🙂

Ich fasse zusammen:

„Warum Handlungsplan?“

Mein Handlungsplan hilft mir, beim Romanschreiben den Überblick zu bewahren, Inhalte zu fusionieren, Details aufzufüllen, kurz: die Geschichte stimmig aufzubauen.

Und warum gleich drei Meter davon?

Mir hilft es tatsächlich, die Szenen anzufassen, sie herumzutragen, vor der Geschichte auf- und abzugehen und so den eigenen Standpunkt zu wechseln. Je mehr Sinne man einsetzt, desto kreativer wird man! Es hat Spaß gemacht, und der Anblick erinnert mich täglich daran, für was ich eigentlich hier bin. Und wenn Besuch kommt, machen drei Meter Handlungsplan einfach was her 🙂

Wie arbeitet ihr denn so?

Was Romanautoren von Rezeptionisten lernen können

Statt an meinem Buch weiterzuarbeiten, habe ich diesen Sommer viel Zeit damit verbracht, in der Pension Bakkegaard Møns Klint mitzuhelfen, in der ich wohne. Ich habe Hunderten Gästen die Wanderwege an den Kreidefelsen beschrieben; einigen, die sich mehr Zeit nahmen, auch die verschlungeneren Pfade zu Treibholzansammlungen, Orchideenwiesen oder alten Opfersteinen. Ich habe Teller und Gläser gespült, Bettzeug verfrachtet und Unkraut gejätet.

Es war teils anstrengend, meist erfreulich, und immer wieder lehrreich. Meine Mappe mit Zeugnissen und Diplomen ziert jetzt auch ein dänischer Lebensmittelhygieneschein; ich kann unsere Kasse mit 119 Tasten bedienen und mindestens die Hälfte von dem verstehen, was mir unsere vielen schwedischen Gäste in perlendem Singsang mitteilen wollen. Und ich habe vieles gelernt, das ich in den nächsten Monaten gut anwenden kann, wenn es wieder still auf der Insel wird und ich an meinem Schreibtisch sitze:

Du kannst nicht jedermanns Geschmack treffen.
Die Zimmer in unserer Pension sind sehr unterschiedlich gestaltet, jedes von einem anderen Künstler aus Møn. Jeder Künstler hatte die Freiheit, sein eigenes Universum abzubilden, und wie unterschiedlich die Ergebnisse sind, könnt ihr in dieser Bildergalerie begutachten. So mancher Raum, der bei dem einen Gast nur verhaltene Zustimmung findet, löst bei dem anderen Begeisterung aus und den Wunsch, nächstes Jahr genau HIER mehrere Tage zu verbringen. Ich finde das spannender als die stromlinienförmig gestalteten Hotels, die man auf der ganzen Welt finden kann. Wer erzählt schon seinen Freunden nach dem Urlaub, wie gleichmäßig beige das Schlafzimmer war?

Ich bin vorsichtiger geworden darin, Dinge zu verurteilen, wenn sie mir selbst nicht gefallen – sie können bei anderen genau ins Schwarze treffen. Und wenn mir beim Schreiben schräge Ideen kommen, werde ich sie nicht gleich ausmerzen, sondern fröhlich weiterwuchern lassen – es sei denn, ALLE Testleser reagieren verhalten und gar niemand kann etwas damit anfangen 🙂

Nimm dir Zeit zu erzählen.
In meinen ersten Tagen als Rezeptionistin dachte ich, ich sollte die Ankommenden nicht lange aufhalten. Erklärung der Essenszeiten, Herumführen in der Pension, Wander- und Ausflugstipps – alles möglichst in drei Minuten, damit unsere Gäste schnell ihren Urlaub genießen konnten. Inzwischen weiß ich: Die Begrüßung ist Teil des Urlaubs, kann Spaß machen und ruhig etwas länger dauern. Es steigert die Urlaubsfreude noch mal, wenn man nach dem Panorama-Ausblick vom Speiseraum auch noch die Leseecke im hintersten Wohnzimmer gezeigt bekommt. Über die 497 Treppenstufen bis zum Kreidefelsenstrand kann man lachen, wenn man erfährt, dass man die Nachbartreppe hinauf NUR ca. 480 Stufen überwinden muss. Und wenn ich nebenbei mitbekomme, welche besonderen Interessen die Besucher haben, kann ich ihnen auch speziellere Tipps geben (Treibholz, Orchideen, Opfersteine).

Ich glaube, ich bin ruhiger geworden, auch in hektischen Situationen – denen man auf diese Weise viel von ihrer Hektik nehmen kann. In meinen Texten will ich mir Zeit nehmen, Situationen auszumalen und die Leser ganz in meine Welten hineinzunehmen. Das ist Teil des Erlebnisses, dafür sind sie gekommen. Und im Gegensatz zu meiner journalistischen Arbeit, wo ich möglichst viele Fakten in möglichst wenig Zeilen pressen musste, habe ich ja jetzt Hunderte Romanseiten Platz (oder die unendlichen Weiten des Internets). Solange die Leser nicht abspringen … danke, dass du noch da bist 🙂

Es muss nicht alles gleichzeitig perfekt sein.
Zwei Spanierinnen möchten ein Zimmer, eine Gruppe Dänen Kaffee und Kuchen im Innenhof. Zwei Deutsche, die morgen mit dem Bus weiterwollen, fragen nach dem Fahrplan. Die Kinderspielküche ist über den Fernsehraum verstreut und du hast vergessen, den Getränkekühlschrank aufzufüllen. Da klingelt das Telefon …
Durchatmen.
Die Leute haben Urlaub und sind entspannt.
Es muss nicht alles gleichzeitig perfekt sein.
Der Ausblick aufs Meer, das herrliche Wetter, der Besuch an den Kreidefelsen haben die Erwartungen der Gäste schon übertroffen. Der Tag ist schon jetzt ein Erfolg. Mit Erlaubnis der Spanierinnen kurz ans Telefon gehen, Kaffee aufsetzen und den Dänen erstmal kühles Wasser bringen. Sich Zeit für die Spanierinnen nehmen, die Dänen mit Kaffee und Kuchen versorgen. Zwei holen sich ein Lakritzbier, die Himbeerbrause hat noch niemand vermisst, jetzt kannst du in Ruhe den Kühlschrank auffüllen. Dann fallen dir die Bustouristen wieder ein – die unterhalten sich blendend mit den Spanierinnen und verabreden gerade, gemeinsam in deren Auto weiterzufahren. Am Abend siehst du nur lächelnde Gesichter – und das Fernsehzimmer hat niemand gebraucht.

Auch in einem Text muss nicht alles gleichzeitig perfekt sein. Natürlich, man gibt sein Bestes, will den Nobelpreis gewinnen, oder wenigstens eine Ausschreibung. Aber irgendwann ist der Tag auch rum und die Geschichte muss fertig sein. Ein packender Einstieg, eine lebensechte Hauptfigur, ein spannender Höhepunkt – das wird in Erinnerung bleiben. Im achten und neunten Absatz wiederholt sich ein Wort? Eine unbedeutende Nebenhandlung ist nicht sauber zum Abschluss gebracht? Kein Grund, das Werk noch zwei Jahre in der Schublade zu lassen und immer unsicherer zu werden, bis man es überhaupt nicht mehr veröffentlicht. Wenn du einen zündenden Plot hast und ein paar fesselnde Figuren – schreib drauflos, Details klären sich beim Schreiben oft von selbst. Lektorieren, Überarbeiten, Korrigieren – klar. Aber dann ist irgendwann auch gut. Es wird nie perfekt, und das muss es auch gar nicht sein.

Drückt mir die Daumen, dass ich diese Erkenntnisse am Schreibtisch auch umsetze 🙂

Welche Erfahrungen aus dem echten Leben haben euch bei kreativen Projekten weitergeholfen?

Umfrage: Eine Stunde oder ewig?

Juhu – ich habe eine Idee für ein neues Buch. (Habe ja höchstens zehn angefangene auf der Festplatte.) Diesmal, liebe Blogleserin, lieber Leser, hätte ich gern deine Hilfe! Denn auch Fantasy und Science-Fiction werden durch Recherche besser.

Also … Folgendes: Ein ganz normaler Tag in deinem Leben, du sitzt am Frühstückstisch. Plötzlich schwebt ein riesiges Raumschiff über der Welt.

Das Raumschiff öffnet sich. Überzeugende Außerirdische bauen sich vor der Menschheit auf und fragen jeden einzeln:

Willst du noch eine Stunde leben – oder ewig?

Alle werden gleichzeitig gefragt. Jeder bekommt zwei Minuten Bedenkzeit. Für Kinder unter sechs entscheiden die Erziehungsberechtigten. Wer ewig leben will, dessen Alter wird eingefroren, und er kann auch nicht mehr durch Gewalteinwirkung sterben. Wer noch eine Stunde leben will, den lassen die Außerirdischen in Ruhe und dann stirbt er schnell und schmerzlos.

Halt, du bist noch nicht entlassen.

Warum würdest du so entscheiden?

Wenn du ewig leben willst: Wie stellst du dir dein weiteres Leben vor?

Wenn du das nicht willst: Was machst du in deiner letzten Stunde?

Bitte klicke unter der Blogeintrag-Überschrift auf (x) Kommentare, scrolle ganz nach unten bis zum Kommentarfeld, und tobe dich aus! Ich freue mich auf viele Ideen und werde deine Gedanken gnadenlos ausschlachten 😉

Zum Dank baue ich deinen Namen gern in das Buch ein … oder dein Haustier … oder deinen Lieblingsort … schreib mir einfach, wenn du so etwas möchtest 🙂

Inspirierte Grüße von Carmen

 

 

Schreibcamp bei Demetria

Demetria Cornfield Schreibcamp 016Lange Zeit dachte ich, man braucht eine einsame Insel, zwei Jahre Auszeit und sechs Meter Schreibtisch, um als Schriftstellerin produktiv zu sein.

Nun weiß ich: Es geht auch in einem quirligen Haushalt, mit einem fordernden Teilzeitjob und einem Schreibtisch in der Schlafzimmerecke.

Nicht bei mir, aber bei manchen 😉

Ich bin zu Besuch bei meiner Freundin Demetria Cornfield, deren Output mich immer wieder begeistert. An Halloween 2014 erschien ihr erster Roman, „Der Wächter des Sternensees“, zu Beltane (Mai) 2015 ihre Kurzgeschichtensammlung „Ganom“. Zurzeit arbeitet sie am nächsten Roman, „Die Könige von Edom“, der – wenn sie weiterhin so fleißig ist – vielleicht an Weihnachten zu lesen ist. Ich bin gespannt und freue mich, auf der Heimreise im Zug die ersten Kapitel zu lektorieren. Die Einstiegssätze darf ich schon heute veröffentlichen:

Wie Edelsteine leuchteten die Sphären des Allmächtigen und der blaue Engel saugte mit allen Sinnen ihre Schönheit ein. Zehn Welten, in perfekter Harmonie angeordnet, gekrönt vom absoluten Sein des Einen, dessen Strahlen jede einzelne Welt über zweiundzwanzig Pfade mit allen anderen verbanden. Ein leichter Flügelschlag brachte ihn der Sphäre näher, die direkt unter der des unendlichen Lichtes angeordnet war und die erste der drei Welten der Mittelachse darstellte. Von dort aus blickte er auf die gelbe Sonne der neuen Schöpfung, die sich in einer Linie mit der astralen Welt befand.
»Menschen«, flüsterte hinter ihm eine Stimme und er wandte den Kopf.

Wie ihr seht, taucht man bei Demetria vollkommen in andere Welten ein. Sie hat sich jahrelang mit den Schwarzen Künsten, mit Religion und Fantasy beschäftigt. Ihre Bücher sind nicht nur spannend, lustig und anschaulich geschrieben, sondern haben dadurch eine Tiefe, die mich sehr beeindruckt hat. Ihre Wohnung – in der sie auch schreibt, malt und meditiert – bietet überall Stoff für Gespräche:

Gemeinsam haben wir Ideen für eine neue Geschichtensammlung entwickelt und die kommenden Untaten ihrer Protagonisten genüsslich ausgebreitet. Da geht es ihr wie mir – die Figuren machen eh, was sie wollen, die Schreiberin muss nur gut hinhören und schnell genug mitschreiben … Wir haben nebeneinander in die Tasten gehauen und zwischendrin gelungene Textbeispiele angehört. Und wenn alles gutgeht, kommt sie mich im Winter wieder auf Møn besuchen … ein großer Schreibtisch, Ruhe und Abgeschiedenheit locken 🙂

Sechs Meter Schreibtisch

Seit meiner Grundschulzeit litt ich unter vollkommen unzureichenden Arbeitsflächen. Auf höchstens anderthalb Metern drängten sich Bildschirm und Telefon (Grundschule: Tuschkasten und Malbücher), Papiere und Tassen, stumpfe Bleistife und anzunähende Knöpfe. Nur der Drucker war immer weit weg. Egal was für großzügige Wellenfotos ich als PC-Hintergrundbilder wählte, meine Gedanken waren eingezwängt.

Nun wird alles anders. Ich habe mir einen weiteren Traum verwirklicht:

Sechs! Meter! Schreibtisch!!!

Platz zum Schreiben, Platz zum Stapeln, Platz zum Denken … und es fällt nicht mal auf, wenn man dabei die Füße hochlegt.

Vorher waren mehrere Wochen Tüfteln und Heimwerken angesagt.

 

Gute Teamarbeit: Uffe schleppte, sägte und stemmte. Ich maß, entwarf und plante. Das Holz trug schöne Details bei.

 

Nachdem Uffe ein Dutzend Bauteile nach Maß gesägt hatte, war ich wieder dran.

 

 

Dann kam endlich der Tag des Einbaus!

 

(Vierkantholz? Unglaublich, was man auf seine alten Tage alles lernt, nur um nicht weiter an seinem Roman schreiben zu müssen 😉 … Danke für den Tipp, Ingo!)

 

 

Der Beginn des Johannes-Evangeliums:

En archē ēn ho Lógos – Im Anfang war das Wort.

Und am Ende war die Signatur:

 

Nach nur vier abschließenden Schleif- und Lackierdurchgängen und geringfügigen weiteren Dekoarbeiten … sieht mein Arbeitsplatz jetzt so aus!

Schreibwerkstatt Møn 8 letzter Schliff 1

Die Betonung liegt dabei auf „jetzt“: Dieses Bild ist der Zustand im Juni, Juli und August, wo meine Schreibwerkstatt samt Schlafzimmer von Gästen der Pension Bakkegaard Møns Klint gemietet werden kann. Ich hoffe, dass einige von ihnen Lust bekommen, eigene Schreibideen zu verwirklichen – mit der alten Schreibmaschine kann man gleich loslegen.

In den anderen neun Monaten des Jahres ist dies meine Arbeitsfläche. Sechs Meter an der Außenkante – OK, „nur“ ca. vier an der Innenkante – bieten Platz für Bildschirm und Telefon, Papiere und Tassen, stumpfe Bleistife und anzunähende Knöpfe. Und für Tuschkasten und Malbücher, Nähmaschine oder womit ich mich sonst grad vom Schreiben ablenken will. Und der Drucker steht immer in Reichweite.

Wie sieht euer Traum-Arbeitsplatz aus?

Gestutzte Geschichte

Da mein Roman nur unkontrolliert wächst, ständig Seitentriebe ausbildet und viel Unkraut hervorbringt, habe ich nebenbei begonnen, Kurzgeschichten zu schreiben. Die reifen schnell und lassen sich gut zurechtstutzen. Je kürzer, desto besser.

Der Bonsai der Literatur ist der Drabble: Eine pointierte Geschichte aus exakt einhundert Wörtern. Da muss man schon mit der Pinzette eintopfen und zupfen. Hier mein erster Versuch:

Tief verletzt

Der Hexenmeister presste sich in die Kerkerecke.
Das Grauen wurde größer.

Die Zähne des Zwergenzombies hatten nur gezwickt.
Beim Biss des Vampirbabys kam Blut.
Als der Werwolfswelpe seinen Zeh zerfleischte, begann er zu weinen.
Und nun das Drachenjunge – auch wenn es kaum größer war als ein Krokodil – beim Anblick des aufgesperrten Mauls drehte sich ihm der Magen um.

Ein leises Lachen mischte sich in das Geschrei.
Genüsslich und doch bitter.
Erst als vom Meister nur Matsch übrig war, zauberte der Lehrling die Monster weg.

Nie wieder würde der Alte ihm vorwerfen, er habe kein „bisschen“ Fantasie.

 

Und – welches Geschehnis würdet ihr gern in hundert Wörter zwängen?

P. S. Von Møn habe ich diese Ideen nicht. Hier ist alles nur friedlich und schön.